Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)
verdient.
Dein Vertrauen so zu missbrauchen …«
»Na ja,
nun sind wir ja quitt.«
»Du meinst,
deine Bloßstellung eben bei der PK?«
»Sorry,
aber das musste sein. War’s schlimm?«
»Gibt Schlimmeres.«
»Gut. Dann
begraben wir jetzt dieses Thema. Never again?«
Da war dieses
sympathische Lächeln wieder.
»Never again!«
Kurze Pause,
ein Lächeln, ein tiefer Blick – fast zu lang – in seine Augen.
»Was macht
Afrika?«
Sie schmunzelte.
»Daheim warten die gepackten Koffer. Alan hat eine Farm in Namibia geerbt. Ich will
sie mir mal ansehen. Vielleicht breche ich hier ja meine Zelte ab.«
»Was ich
sehr bedauern würde.«
Sie überging
seine Bemerkung und wechselte das Thema: »Noch eine Frage zu dem Fall heute. Man
hat die Tote in ihrem Garten gefunden. Spricht was dagegen, wenn ich mir den Tatort
mal ansehe? Nur von außen natürlich. Du weißt, dass ich mir immer gerne selbst ein
Bild von den Gegebenheiten mache. Dieses Gaienholzen, wo das Opfer wohnte – wo liegt
das genau?«
»Am Fuß
des Schiener Bergs Richtung Zeller See, grob südlich zwischen Singen und Radolfzell.
Grenzgebiet zur Schweiz. Kennst du dich hier aus?«
»Ich werd’s
schon finden.«
Sie verschwieg
ihm schon wieder etwas. Aber weshalb sollte sie ihm sagen, dass eine ehemalige Kollegin
auf der Höri wohnte?
»Riedweg.«
Sie notierte
sich die Adresse und schielte dabei in das Namensregister ihres Kalenders. Treffer!
In Gaienholzen wohnte Käthe Besserer. Riedweg 22. Ehemals Redaktionsassistentin
beim Sender und jetzt seit zwei Jahren im Ruhestand, Lindas Besuch bei ihr stand
immer noch aus.
»Krieg ich
noch ein paar exklusive O-Töne von dir?«, fragte Linda jetzt und packte ihr Aufnahmegerät
aus.
»Kein Problem.
Aber ich kann dir nur die offiziellen Auskünfte geben.«
»Das reicht.
Sag mir einfach was zum aktuellen Stand der Ermittlungen und warum ihr diesen Wohnsitzlosen
als Zeugen braucht. Den Rest bau ich mit den Tönen aus der PK drum herum.«
Nach dem
Interview verabschiedete sich Linda. Sie tauschten noch rasch ihre aktuellen Kontaktdaten
aus, dann trennten sie sich wie zwei alte Freunde. Lindas Herz hüpfte. Jens Bosch
war ihr mehr als sympathisch, und zu wissen, dass er ihr verziehen hatte, machte
sie einfach nur glücklich.
Sie sah
auf die Uhr. Zeit, den Beitrag abzusetzen. Sie machte sich auf den Weg zum Büro
ihres Senders nach Konstanz. Danach würde sie Käthe Besserer anrufen. Vielleicht
hatte die ehemalige Kollegin ja ein paar Minuten Zeit.
11
Der Gnadensee zwischen Reichenau
und Allensbach leuchtete frühlingshaft blau, auf der Gemüseinsel reflektierten die
Glasdächer der Gewächshäuser das Sonnenlicht, und die Kirchtürme der berühmten Abtei
grüßten zum Festland herüber. Der Wasserstand des Sees war niedrig, und zwischen
den Schilfflächen des Wollmatinger Rieds ragten Schlick und Kiesbänke weit in die
Wasserfläche hinein.
Als sie
zwei Stunden später im Feierabendverkehr zurückfuhr, kam Wind auf, und der See hatte
von leuchtendem Blau in ein mattes, von leichten Wellen gekräuseltes Grau gewechselt.
Vor der Mettnau, der fingerförmigen Halbinsel, die Zellersee und Gnadensee trennt,
blinkten die Leuchtfeuer der Sturmwarnung. Über Radolfzell und Moos fuhr sie Richtung
Schiener Berg.
Sie fand
Käthe Besserers Haus im Riedweg auf Anhieb. Nachdem sie sich begrüßt und über die
›alten Zeiten‹ geplaudert haben, war es Käthe, die das Gespräch auf das Thema lenkte,
dessentwegen Linda eigentlich gekommen war:
»Ihr habt
sicher auch über den schrecklichen Mord berichtet. Stell’ dir vor, die wohnte nur
zwei Häuser weiter«, erzählte Käthe.
»Genau deswegen
habe ich hier zu tun. Dann kanntest du sie gut?«
»Ja, sicher.
Die Polizei hat mich das auch schon gefragt. Aber du, wie lange wirst du bleiben?«
»Höchstens
noch ein, zwei Tage.«
»Und wo
wohnst du?«
»Ich seh’
mich nachher nach einem Hotel um. In Singen oder Radolfzell.«
»So ein
Quatsch! Du kannst bei mir wohnen. Im Zimmer von Matze. Das Bett ist frisch überzogen.«
Linda überlegte
nicht lange und nahm das Angebot dankbar an.
»Diese Lene
Grandel – was war sie für ein Mensch?«
»Hm. Wie
soll ich sagen. Sie war eine Einzelgängerin. Ein Naturfreak. Ja, besser kann man
sie eigentlich nicht charakterisieren. War dauernd draußen unterwegs. Auch im Garten.
Stundenlang. Und bei Regen saß sie am Fenster und beobachtete die Vögel mit dem
Spektiv.«
»Mit dem
Spektiv?«
»Ja. So
ein riesen Teil,
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