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Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Titel: Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edi Graf
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den Schatten der Mauer.
    »Pst! Nicht
so laut!«, flüsterte Linda und versuchte, den klammernden Griff um ihren Oberarm
abzuschütteln. Die Hand ließ los, die beiden Frauen verharrten, bebend vor Schreck,
und lauschten auf den Atem der anderen.
    »My daughter,
I am looking for my daughter!«, hauchte es vor Linda, und sie hörte, dass die fremde
Frau schluchzte. In ihrer Stimme schwang Angst, ja Panik. Aber warum sprach sie
Englisch? Linda tastete nach der Frau, umarmte sie vorsichtig und signalisierte
ihr auf diese Weise, dass keine Gefahr von ihr aus ging.
    »Keine Angst,
don’t worry! Sie müssen keine Angst haben.« Sie spürte, wie sich die Frau allmählich
beruhigte und flüsterte: »Do you speak German?«
    »Yes. Ja.«,
kam es zerbrechlich zurück.
    »Fine. Gut.«
    Linda hatte
ein gutes Gefühl für Sprachen und ein ausgezeichnetes Wortgedächtnis. Neben Englisch
sprach sie Italienisch, Spanisch und Russisch, das bisschen Französisch, das ihr
von den wenigen Schuljahren geblieben war, und dazu ganz passabel Suaheli. Und so
war es für sie kein Problem, das folgende Gespräch mit der Fremden immer dann, wenn
es auf Deutsch stockte, in Englisch fortzuführen.
    Die Frau
richtete sich soweit auf, dass der Mauerschatten nicht mehr auf ihre Gestalt fiel.
Der fahle Schein des diffus schimmernden Laternenlichts beleuchtete das dunkelhäutige
Gesicht einer Afrikanerin, die Augen weit aufgerissen, die Lippen um den geöffneten
Mund wulstig, und eine bumerangförmige Narbe zog sich über ihre rechte Wange. Das
wallende Gewand war eine Art Sari, die seltsame Kopfbedeckung ein buntes Tuch, das
sie sich wie den Kopfputz der Witwe Bolte aus Max und Moritz um den Kopf geschlungen
hatte.
    »Wie heißt
du?«, fragte Linda, die durch das bewusst gewählte ›du‹ ein wenig Vertrauen herstellen
wollte.
    »Hadé«,
antwortete die Frau und ging darauf ein. »Und du?«, fragte sie zurück.
    »Linda.
Woher kommst du?«
    »Nigeria«,
lautete die knappe Antwort, und Linda schwieg überrascht. Was machte eine Frau aus
Nigeria nachts allein in einem Kieswerk auf der Höri? War sie eine der vielen Afrikaflüchtlinge,
die derzeit Schlagzeilen machten?
    »Und wovor
hast du Angst?«
    »Zoto. Er
mich geschlagen. Er großer Mann.«
    Linda fiel
sofort der Schwarzbärtige ein.
    Schon wollte
sie nach ihm fragen, als Hadé den Zeigefinger auf die wulstigen Lippen legte und pst hauchte. Irgendetwas hatte sie gehört. Die beiden Frauen lauschten. Doch
es blieb still.
    »Hatte der
Mann einen schwarzen Bart?«
    Hadé nickte.
    Linda überlegte.
Wenn der Schwarze Hadé geschlagen hatte, und sie sich trotzdem noch einmal in seine
Nähe wagte, musste es dafür einen schwerwiegenden Grund geben. Hatte sie nicht vorher
etwas von ›My daughter – meine Tochter‹ gesagt? Jetzt schwieg sie, doch ihre Augen
suchten ängstlich die Umgebung ab, und Linda spürte, dass sie noch immer am ganzen
Leib zitterte.
    »Du musst
keine Angst haben. Er ist nicht mehr hier. Er ist fort gefahren«, versuchte sie,
zu trösten und ließ ihren Blick über den dunklen, nur sparsam vom Licht erhellten
Betriebshof gleiten. Hoffentlich, dachte sie.
    »Ich weiß
nicht, was du hier suchst, und ob es legal ist, aber das spielt keine Rolle.«
    »Du Polizei?«,
fragte Hadé.
    »Nein«,
Lindas Stimme lachte. »Du musst keine Sorge haben, ich bin nicht von der Polizei.
Müsstest du denn vor der Polizei auf der Hut sein?«
    Hadé zuckte
mit den Schultern.
    »Ich bin
Journalistin. Radio. Verstehst du?«
    »Journalist?«,
entfuhr es ihr fast etwas zu laut, und in ihrer Stimme schien Hoffnung mitzuschwingen.
»Dann du mir helfen!«
    »Helfen?
Wobei?«
    Hadé schüttelte
plötzlich heftig den Kopf und begann zu schluchzen.
    »Nix, es
– nix …«, stotterte sie.
    »Wobei kann
ich dir helfen?  … Du kannst mir vertrauen … Ich werde es niemandem verraten.«
    Hadé schwieg.
Ihr Schluchzen wurde leiser und ging in ein unterdrücktes Wimmern über.
    »Du suchst
deine Tochter?«
    Hadé nickte
zögernd, schwieg aber weiter. Linda hielt es daher für besser, die Unterhaltung
an einem anderen Platz vorzuschlagen. Warum setzten sie sich nicht oben an der Straße
in ihren Wagen und redeten dort weiter?
    »Mein Wagen
ist dort«, sagte Linda, deutete zur Straße und fasste Hadé vorsichtig bei der Hand.
»Reden wir dort? Da kann uns niemand hören.«
    Hadé schien
plötzlich abgelenkt, denn sie reagierte überhaupt nicht auf Lindas Vorschlag. Stattdessen
schüttelte sie Lindas Hand mit einer

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