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Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Titel: Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edi Graf
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einige Männer, manche
mit schmutzigen T-Shirts und langen Hosen, die meisten aber mit schweißglänzendem
freiem Oberkörper und zerrissenen Shorts auf die Anlieferung der Schrottteile. Mit
primitiven Werkzeugen oder bloßen Händen zerlegten sie PCs, Kabel und Tastaturen
in ihre Einzelteile. Neben diesen Arbeitsplätzen auf dem Schrottfriedhof glimmten
kleine Feuer, Krematorien für Plastik und nicht verwertbare Kleinteile. Giftige
Dioxindämpfe zogen an den Gesichtern der Arbeiter vorbei.
    Ulla zog
Alan weiter, am Fuß der Müllhalde entlang und schließlich über eine Art Trampelpfad
den Berg hinauf. Knisternd zerquetschte er Handys mit seinen Schritten, Computermäuse
und Glühbirnen zerbarsten unter seinem Gewicht. Am Ende des Aufstiegs, bei dem ihm
durch den beißenden Gestank die Luft auszugehen und die Lungen zu explodieren drohten,
hatte er einen Blick über die gesamte Ausdehnung der Schrottlandschaft. Er kam sich
vor wie nach einer Landung auf einem futuristischen Mond in der Welt eines Science-Fiction-Films.
    Doch es
war alles echt: die Farben, der Rauch, die Mülltürme, die Menschen, die darin gruben
und suchten. Und doch so unvorstellbar irreal. In einem Bereich, der sich vor ihm
einige hundert Meter weit erstreckte, schien alles sortiert zu sein. Wie die stark
vergrößerten bunten Häufchen in den Sisalschalen eines Gewürzhändlers auf Sansibar
türmten sich in hellgrauen Tönen die Skelette der PCs, daneben metallisch schillernde
Mobiltelefone, wie schwarz und weiß bemalte Schokoladerippchen lagerten Tastaturen
übereinander, und Kabel aller Farben und Stärken kringelten sich wie zusammengepferchte
Kobras im Korb eines indischen Schlangenbeschwörers.
    Aus den
Bergen verbrannten Plastiks stiegen die schwarzen Rauchsäulen endlos qualmend in
den Himmel und formten in der Luft über der Schrotthalde eine graubraune Dunstglocke,
die sich wie ein schwelendes Leichentuch über die erstickende Landschaft legte.
Der westafrikanische Riese namens Nigeria schien hier seinen kompletten Müll zu
sammeln und sich selbst zu ersticken.

41
     
    Hadé schlürfte ihren Kaffee und
stellte die kleine Tasse zitternd ab. Sie hatte sich eingebildet, dass alles nur
vorübergehend sein würde und sie nach Abzahlung ihrer Schulden als freie Afrikanerin
in Deutschland ein normales Leben beginnen könne. Und mit diesen Gedanken hatte
sie sich glücklich und mächtig gefühlt. Mächtig genug, um die Zeit als Prostituierte
zu überstehen.
    Bis zu dem
Tag, als Zoto kam und ihr sagte, dass auch Doudou nach Deutschland verschleppt worden
war. Da verkrampfte sich das Herz der Mutter, und der Schmerz legte sich wie ein
eiserner Ring um ihren Brustkorb, nahm ihr die Luft zum Atmen. Und so hatte sie
sich aufgemacht, um ihre Tochter zu suchen, war zurückgekehrt an den Ort, an dem
sie ihr die Schwester genommen hatten und sie auf sich allein gestellt war, nach
dem langen Marsch durch die Wüste und den gefahrvollen Tage auf dem Meer.
    Sie hatte
sich erinnert an das Versteck, den Container, in dem man sie festgehalten hatte,
mürbe gemacht für ihre Zukunft im Bordell von Madame. Die vier Wände, zwischen denen
sie gefroren, gehungert und Durst gelitten hatte, zu ersticken drohte und sich wehrte
gegen das, was die Zukunft in Europa mit ihr vorhatte.
    Dies alles
erzählte sie Linda, die ihr aufmerksam zuhörte. Sie war die erste Frau, zu der sie
in diesem kalten Land Vertrauen gefasst hatte, denn diese Weiße lächelte das Lachen
Afrikas.
    »Du sagst,
You know Africa?«, fragte Hadé, nachdem sie zu Ende war, und Linda nichts mehr zu
fragen wusste.
    »Ich weiß
nicht, ob ich es wirklich kenne, aber mein Freund ist Kenyaner.«
    »Oh, schön.
But he lives in Kenya und du hier?«
    Linda bejahte.
    »Ist nicht
schwierig? So far from here?«
    Linda gelang
nur ein schwerfälliges Lächeln. Diese Frage hatte sie sich in den letzten Wochen
viel zu oft selbst gestellt.
    »Ich weiß
nicht«, antwortete sie ausweichend. »Es hat bisher ganz gut funktioniert.«
    Jetzt würde
er für sie nach Nigeria fliegen. Sie war sich nicht bewusst gewesen, was sie da
von ihm verlangt hatte. Seit ihrem Telefonat hatte sie nichts von ihm gehört, und
das beunruhigte sie. Und auch wenn sie, die toughe und rationale Journalistin, es
sich niemals eingestehen würde, so wusste sie doch, dass sie sich Sorgen um ihn
machte.
    Ihre Gedanken
kehrten zu Hadé zurück.
    Nach der
Liebe auf Distanz hatte sie gefragt.
    Linda antwortete
ausweichend und gab die Frage an Hadé

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