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Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Titel: Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edi Graf
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Die schwarze Hexe konnte warten. Selbst wenn sie es schaffte, zu fliehen,
was konnte schon passieren? Die ging ganz sicher nicht zur Polizei, weil sie sonst
erst mal selbst ins Gefängnis wanderte und auf ihre Abschiebung warten durfte.
    Er musste
zurück, Reiter erwartete ihn.
     
    Als Alan das Eisentor passierte,
hörten die anderen Männer mit ihrer Arbeit auf und blickten ihn feindselig an. Zwischen
alten Klamotten, die sich in den ölig schimmernden Pfützen vollsogen, und rostigen
Blechfässern, auf denen Totenköpfe vor giftigem Inhalt warnten, lagen vereinzelt
beschädigte und zertrümmerte Monitore, auf dem Pickup türmten sich die noch verwertbaren
Bildschirme und Rechner, fertig zum Abtransport nach Ikeja.
    Der elegante,
glatt rasierte Bankertyp, dessen schwarzer Anzug überhaupt nicht in die Umgebung
passte, kam jetzt auf Alan zu, und er starrte entsetzt auf den Gegenstand, den der
Elegante langsam auf ihn richtete.
    Das AK-47
war die Schnellfeuerwaffe militanter Piraten, die im Niger-Delta und in der Bucht
von Guinea mit Speedbooten Überfälle auf Schiffe und sogar auf Ölplattformen durchführten.
    Alan war
stehengeblieben und fuhr herum, als mit einem lauten Krachen das Eisentor hinter
ihm zufiel und ihm den Rückzug versperrte.
    Der Kahlgeschorene
hatte plötzlich einen Knüppel in der Hand und schwenkte ihn bedrohlich hin und her,
der Elegante grinste breit und richtete die Mündung der AK-47 auf Alans Herz.

61
     
    Als sie nach langem unruhigem
Dämmerschlaf die Augen öffnet, ist der Sturm abgeflaut. Das Meer liegt vor ihr,
als hätte es nie Wind und Blitz und Donner gegeben. Wie ein graublaues Leichentuch
breitet es seine gekräuselte Oberfläche über das Grab derer, die in der Nacht versunken
waren. Als sich im Osten mit einem schmalen silbernen Schimmer der neue Tag ankündigt,
landen sie.
    Der Kapitän
fährt nicht bis zum Strand sondern lässt sie im hüfttiefen Wasser aussteigen und
gebietet ihnen, zu schweigen. So waten sie durch das Wasser an Land und verstecken
sich, wie er es ihnen gesagt hat, im nahen Wald.
    Der Lastwagen
pflügt sich einen Weg zwischen den Bäumen hindurch und bringt sie in eine Stadt.
Dort, am Stadtrand von Algeciras, beginnt der letzte Teil ihrer Reise.
    Die Frau,
die am Abend in dem abgedunkelten Zimmer auftaucht und sich ihnen nur als ›Madame‹
vorstellt, ist etwa 20 Jahre älter als sie, doch die Art, wie sie sich schminkt
und kleidet lässt sie wesentlich jünger aussehen. Sie bringt ihnen Wasser, trockenes
Brot und Äpfel. Sie ist Nigerianerin, was dazu beiträgt, dass ihr die afrikanischen
Frauen blind vertrauen.
    Als Erstes
sammelt sie die Pässe der Mädchen ein, um sie den Behörden vorzulegen, wie sie sagt.
Von nun an sind sie ihr ausgeliefert, das merkt Hadé schon, als am Abend die ersten
Freier auftauchen. In jener Nacht verdient Hadé ihr erstes Geld in Europa.
    Noch ahnt
sie nicht, dass dies der Beginn ihrer Karriere als ›Nelly‹ sein wird. Am Morgen
kommt Madame wieder und nimmt ihnen das Geld ab. Und auf einmal fühlt Hadé, dass
Madame nur ein anderes Wort für Zuhälterin ist.
    Madame führt
sie zu einem Container, der ihr Quartier auf der Reise nach Deutschland sein wird.
Sie sind zu zehnt, als sie einsteigen. Durch einen schmalen vergitterten Fensterspalt
dringt kaum Licht ein, ein paar Matratzen und Kissen ist alles, was sich in dem
kahlen, kalten Raum befindet. Und ein Eimer für die Notdurft. Madame gebietet ihnen,
während der Fahrt zu schweigen.
    Sie verliert
kein Wort über die Dauer und das Ziel der Reise. Hadé ahnt, dass es nun nach Deutschland
geht. Ben hat davon gesprochen, dass man verladen wird wie Vieh auf dem Transport
zum Schlachthof, und dass das Paradies dann in greifbare Nähe gerückt sei.
    Hadé weiß
nicht, ob sie seinen Worten noch glauben soll.
    Sie sieht
das Land ihrer Träume zum ersten Mal durch das Fenster, das nicht größer ist als
der Platz, den ein Huhn zum Schlafen braucht. Was sie sieht, ist ein grauer Himmel,
wolkenverhangen, doch nicht so düster wie in der Regenzeit zu Hause. Wolken, die
nicht zu ziehen scheinen, die keinen Regen bringen, die nur die Sonne verdunkeln,
so wie sich ihre Seele verdunkelt hat, als ihr ihre wahre Bestimmung im Land ihrer
Träume klar geworden ist. Am dritten Tag kommen zwei Männer und holen Sema und drei
weitere Frauen aus dem Container. Sie reißen ihr die Schwester aus den Armen, verstopfen
ihren schreienden Mund mit einem schmutzigen Lappen und zerren sie nach

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