Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)
die Journalistin plaudert?«
»Dann wird
sie halt nicht plaudern«, kommentierte Zoto trocken.
»Und wie
willst du das verhindern? Willst du sie für immer dort eingesperrt lassen und warten,
bis die Bullen den Container von alleine finden? Kann sein, dass die schon morgen
das ganze Gelände umgraben!«
Er packte
Zoto an den Schultern und brüllte weiter:
»Und dein
Freund Pulle? Es war deine Idee, ihm die ganze Scheiße in die Schuhe zu schieben.
Eine Weinflasche als Tatwaffe! Dass ich nicht lache! Die haben längst rausgefunden,
dass die Alte mit dem Brecheisen niedergemacht wurde. Wir hätten das Teil im Wald
verschwinden lassen sollen, statt es mit der Leiche in den Garten zu legen!«
»Aber –«
»Ach, hör
auf! Dein ganzer Plan war Schrott! Wir hätten die Alte im See versenken sollen und
Ende! Die Sache Pulle anzuhängen, so ein Schwachsinn! Der Kerl muss verschwinden,
bevor er der Polizei irgendeine Scheiße erzählen kann. Wer weiß, was die Alte dem
alles gesteckt hat!«
Reiter machte
eine Pause und schien sich langsam zu beruhigen. Zoto nützte die Zeit und machte
einen Vorschlag.
»Dann lassen
wir eben alles zusammen verschwinden. Die Journalistin, den Alten und den Container!«
Reiter sah
auf.
»Wie meinst
du das?«
»Pass auf:
um Pulle kümmere ich mich. Den steck ich zu der Frau in den Container. Dann lad
ich das Ding auf und fahre es hierher.«
»Auf das
Gelände?«
»Sobald
die Bullen weg sind. Heute Nacht. Eine Halde müsste genügen. Das fällt nicht weiter
auf.«
»Genügen?
Wofür?«
»Um alles
verschwinden zu lassen«, erklärte Zoto, und ein merkwürdiges Zucken spielte um seinen
Mund.
»Du willst
den Container unter Kies begraben?«
»Das ist
der einfachste Weg. Du kannst das Ding reinigen und desinfizieren wie du willst,
die Bullen werden immer irgendwas finden. Und falls die schwarze Hexe zurückkommt,
ist der Container einfach verschwunden. Wir können sogar einen anderen mit etwas
Müll dort abstellen. Sollen die Bullen doch suchen, sie finden nichts. Außer ein
paar Reifenspuren, und die kann’s da immer geben.«
Reiter dachte
nach.
Ein teuflischer
Plan, aber perfekt. Und er würde sich die Finger nicht schmutzig machen, wenn Zoto
das Ding durchzog. Pulle und die Schnüfflerin wären spurlos verschwunden. Kein Bulle
würde auf die Idee kommen, unter den Kieshalden nach einem verschütteten Container
zu suchen, zumal sie von seiner Existenz nichts wissen konnten. Genial …
»Einverstanden«,
sagte er. »Aber sorg’ diesmal dafür, dass es keine Spuren gibt, hörst du? Keine!«
Zoto nickte.
Nur er wusste,
dass die Sache einen Haken hatte. Doch die Person, an die er dachte, würde schweigen.
Um sich nicht selbst zu verraten. Das musste genügen.
Er verließ
die Baracke, um Pulle zu holen.
63
Madame könnte ihre Mutter sein.
Es ist die
Frau, von der Mahama gesagt hat, ›du musst ihr vertrauen‹.
Die Frau,
von der Akpan gesagt hat, ›sie wird für dich sorgen‹.
Die Frau,
deren Sklavin sie von nun an sein wird.
Eine stattliche
Frau, mit breitem, vollem Gesicht und den wulstigen Lippen Afrikas, ihr Teint etwas
heller als der Hadés, Augen, Mund und Wangen dick geschminkt, dieselbe sichelförmige
Narbe wie Hadé, die Haare kurz geschnitten und unter einem bunten Tuch versteckt.
Die Bluse in grellem Rosa, der Rock eng und schwarz, die Beine in hauchdünnen Strümpfen,
die Füße in glänzenden Lackschuhen mit hohen Absätzen. Glitzernde Ringe an fast
allen Fingern, eine schwere goldene Kette um den breiten Hals, die bis zum Ansatz
ihrer großen Brüste reicht.
Sie hat
es gleich bei ihrer ersten Begegnung klar gestellt: alle haben ihr zu gehorchen,
und sie duldet keinen Widerspruch. Sie heißt Yelema; nennt sich aber Nina. Und für
die Mädchen ist sie die Madame.
Hadé fragt
nach dem Job als Kindermädchen, eine andere Frau nach dem Studium, das sie fortsetzen
will, doch Madame lacht sie aus. Hadé hat die Lüge geahnt, doch sie hat bis zuletzt
noch gehofft. Jetzt wird sie von Madame knallhart mit der Wahrheit konfrontiert.
»Arbeiten
werdet ihr«, sagt Madame, »dafür steht ihr unter meinem Schutz, und ich bekomme
Geld von euch.«
Als sie
die Summe nennt, ist Hadé nicht überrascht. Fast dasselbe, was sie Mahama schuldet.
Erst wenn sie das alles bezahlt hat, wird sie wirklich frei sein!
»Und«, ergänzt
Madame, »ich sorge für euch.«
Sie wohnen
im Haus von Madame.
Madame bekommt
Miete dafür.
50 Euro.
Am Tag.
Ihr Zimmer
wird ihr
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