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Verschlossen und verriegelt

Verschlossen und verriegelt

Titel: Verschlossen und verriegelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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gleich, worum es gehen mochte.
    Sie hatte glatte blonde und kurze Haare, die im Moment jedoch nass und zerzaust waren.
    Sie roch sauber, vermutlich nach einem Kräutershampoo, und trug ein kurzärmliges weißes Trikothemd und eine ausgefranste Jeans in einem blassblauen Farbton, der darauf schließen ließ, dass sie Hunderte Male gewaschen worden war. Das Hemd trug sie erst seit wenigen Sekunden; große nasse Flecken breiteten sich auf Schultern und Brüsten aus.
    Weiter: relativ breite Schultern und schmale Hüften, ein kurzer Hals und dichter heller Flaum auf den sonnengebräunten Armen. Nackte, ziemlich kleine Füße mit geraden Zehen, als würde sie in der Regel Gesundheitsschuhe oder Holzschuhe tragen und möglichst oft barfuß gehen.
    In dem Bewusstsein, dass er ihre Füße mit der gleichen professionellen Aufmerksamkeit musterte, mit der er sich Blutspuren und Leichenflecken zu widmen pflegte, hob er den Blick zu ihrem Gesicht.
    Ihre Augen schauten inzwischen forschend, und ihre Stirn war leicht gerunzelt.
    »Ich war gerade dabei, mir die Haare zu waschen«, sagte sie. Ihre Stimme klang heiser, vielleicht war sie erkältet oder Kettenraucherin oder sprach von Natur aus so. Er nickte.
    »Ich habe ›Herein!‹ gerufen. Zweimal sogar. Die Tür ist offen. Ich schließe selten ab, wenn ich zu Hause bin. Es sei denn, ich will meine Ruhe haben. Haben Sie nicht gehört, dass ich gerufen habe?«
    »Nein. Sie sind Rhea Nielsen?«
    »Ja, natürlich. Und Sie sind Polizist, nicht wahr?« Martin Beck hatte eine bemerkenswert schnelle Auffassungsgabe, aber diesmal drängte sich ihm augenblicklich das Gefühl auf, einem Menschen begegnet zu sein, der ihm in dieser Hinsicht überlegen war. Sie hatte ihn binnen weniger Sekunden in die richtige Schublade gesteckt, und der Blick in ihren Augen deutete zudem an, dass sie sich bereits ein allgemeines Bild von ihm gemacht hatte. Welches, blieb abzuwarten. Eine mögliche Erklärung für ihr schnelles Urteil war natürlich, dass sie Besuch von der Polizei erwartet hatte, was er jedoch für wenig wahrscheinlich hielt.
    Er holte sein Portemonnaie heraus, um ihr seinen Dienstausweis zu zeigen. Sie sagte sofort:
    »Es reicht, wenn Sie mir sagen, wie Sie heißen. Und kommen Sie endlich herein. Ich nehme an, dass Sie was wollen. Und ich denke, keiner von uns hat Lust, sich im Treppenhaus zu unterhalten.« Martin Beck fühlte sich etwas aus der Fassung gebracht, zwar nur ein bisschen, aber andererseits war dies ein Gefühl, zu dem er nur sehr selten Grund hatte.
    Plötzlich drehte sie sich um und ging vor ihm in die Wohnung. Er konnte nicht sofort deren Größe abschätzen oder wie die Zimmer genutzt wurden. Jedenfalls waren die Räume hübsch mit alten und zusammengewürfelten Möbelstücken möbliert. Ein paar Kinderzeichnungen, die mit Heftzwecken befestigt waren, legten nahe, dass sie so etwas wie Familie hatte. Ansonsten war der Wandschmuck bunt gemischt. Es gab Ölgemälde, Zeichnungen und alte Fotografien in ovalen Rahmen, aber auch Zeitungsausschnitte und Plakate, unter anderem Porträts von Lenin und Mao, doch die meisten waren, soweit er sehen konnte, unpolitisch. Viele Bücher, in Regalen und Stapeln da und dort, eine beachtliche Plattensammlung, eine Stereoanlage, zwei alte und offenbar häufig benutzte Schreibmaschinen, stapelweise Zeitungen und vor allem Papiere, die meisten zusammengeheftete Kopien. Sie sahen fast aus wie Polizeiberichte. Er kam zu dem Schluss, dass es sich wohl um irgendwelche Kompendien handelte und sie eine Form von Studium betrieb. Er folgte ihr vorbei an etwas, das ein Kinderzimmer sein musste, aber das Bett darin war so sorgsam gemacht und das Zimmer insgesamt so aufgeräumt, dass die Kinder, die darin schliefen, momentan kaum in der Nähe sein konnten. Nun ja, es war Sommer, und die meisten Kinder von einigermaßen gut gestellten Eltern waren auf dem Land, weit weg von der schädlichen Luft und den absurden Lebensbedingungen einer Großstadt.
    Sie warf ihm über die Schulter hinweg einen nicht gerade respektvollen Blick zu und sagte:
    »Ist es okay, wenn wir uns in die Küche setzen? Wenn Ihnen das nicht passt, müssen Sie es sagen.«
    Ihr Ton war nicht freundlich, aber auch nicht direkt feindselig.
    »Das ist schon in Ordnung.«
    »Dann setzen Sie sich.«
    Sie waren in die Küche gekommen, und er setzte sich an einen großen runden Tisch. An dem standen sechs verschiedenartige Stühle in bunten Farben, und es war noch Platz für weitere. »Warten Sie

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