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Verschlossen und verriegelt

Verschlossen und verriegelt

Titel: Verschlossen und verriegelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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verlangt so was ja. Es ist zwar nie jemand von der Polizei aufgetaucht, sie hatten keine Zeit, aber die Versicherung hat tatsächlich gezahlt. Das mit der Anzeige war anscheinend nur pro forma.«
    Sie kratzte sich im Nacken und sagte: »Und, was wollen Sie?«
    »Über einen Mieter sprechen.«
    »Einen von meinen?«
    Sie runzelte die Stirn und legte großen Nachdruck auf das Wort ›meinen‹ , als würde sie diese Möglichkeit wirklich beunruhigen und erstaunen.
    »Keinen der jetzigen«, sagte er.
    »Im letzten Jahr ist nur einer ausgezogen.«
    »Svärd.«
    »Das ist richtig. Hier hat ein Mann namens Svärd gewohnt. Er ist im Frühjahr ausgezogen. Was ist mit ihm?«
    »Er ist tot.«
    »Wurde er erschlagen?«
    »Erschossen.«
    »Von wem?«
    »Möglicherweise beging er Selbstmord. Aber wir sind nicht davon überzeugt.«
    »Können wir uns nicht ein bisschen entspannter unterhalten?«
    »Gern. Aber was meinen Sie mit entspannt? Dass wir uns duzen sollen?« Die Frau nickte. Dann sagte sie:
    »Formalien sind so sinnlos. Ich hasse das. Obwohl ich äußerst korrekt auftreten kann, wenn es nötig ist. Ich kann auch kokett sein und mich schick machen und Lidschatten und Lippenstift benutzen.«
    Martin Beck fühlte sich seltsam unsicher. Plötzlich sagte sie:
    »Willst du einen Tee? Tee ist gut.«
    Er wollte tatsächlich gern einen Tee, sagte aber:
    »Bitte keine Umstände. Ich möchte nichts.«
    »Unsinn«, erwiderte sie. »Quatsch. Warte kurz, dann mache ich uns auch was zu essen. Ein warmes Sandwich ist jetzt genau das Richtige.«
    Er merkte auf einmal, dass er auch das haben wollte. Ehe er ablehnen konnte, sprach sie weiter.
    »Es dauert höchstens zehn Minuten. Ich mache ständig was zu essen. Ist keine Kunst. Und es schmeckt gut. Man soll immer versuchen, das Beste aus allem zu machen. Wenn alles aussieht, als ginge es zum Teufel, kann man immer noch was Leckeres kochen. Tee und ein Brot aus dem Ofen, dann können wir reden.«
    Nein zu sagen erschien unmöglich. Er ahnte etwas Neues bei ihr. Eine Beharrlichkeit und Willensstärke, der man unter Umständen nur schwer würde widerstehen können. »Danke«, sagte er kleinlaut.
    Noch ehe er dazu gekommen war, das Wort auszusprechen, hatte sie schon angefangen. Klapperte viel, war aber dennoch verblüffend schnell und effektiv.
    Etwas Vergleichbares hatte er noch nie gesehen, jedenfalls nicht in Schweden.
    Während der sieben Minuten, die sie für die Produktion benötigte, sagte sie kein Wort. Sechs heiße, mit Tomatenscheiben belegte und mit Käse überbackene Sandwiches und eine große Kanne Tee. Er beobachtete sie, während sie die Mahlzeit improvisierte, und fragte sich erneut, wie alt sie sein mochte. Sie setzte sich ihm gegenüber hin und sagte im selben Moment:
    »Siebenunddreißig. Obwohl die meisten denken, ich wäre jünger.« Er war viel zu überrumpelt, um es verbergen zu können. »Woher wusstest du…«, setzte er an. »Das war es doch, woran du gedacht hast, nicht? Iss jetzt.« Es schmeckte gut.
    »Ich habe ständig Hunger«, erklärte sie. »Esse zehn-, zwölfmal am Tag.«
    Personen, die täglich zehn oder zwölfmal aßen, bekamen in der Regel gewisse Probleme mit ihrem Gewicht.
    »Ich werde deshalb aber nicht dicker«, sagte sie. »Übrigens spielt das auch keine Rolle. Ein paar Kilos rauf oder runter verändern einen Menschen nicht. Ich bleibe jedenfalls immer gleich. Allerdings werde ich hibbelig, wenn ich nichts zu essen bekomme.«
    Sie verdrückte drei Brote. Martin Beck aß erst eins und nach kurzem Zögern ein zweites.
    »Du hast offenbar so deine Ansichten zu Svärd«, sagte er. »Ja. Das könnte man sagen.«
    Es fiel ihnen leicht, einander zu verstehen. Merkwürdigerweise war keiner von ihnen überrascht. Es erschien ihnen selbstverständlich.
    »Dann war er also seltsam«, sagte er.
    »Ja«, antwortete Rhea. »Er war ein komischer Kauz. Ein wirklich eigenartiger Typ. Ich bin nicht schlau aus ihm geworden und war ehrlich gesagt ganz froh, als er ausgezogen ist. Wie ist er eigentlich gestorben?«
    »Er wurde am 18. letzten Monats in seiner Wohnung gefunden. Da war er allerdings schon mindestens sechs Wochen tot. Vermutlich länger. Schätzungsweise zwei Monate.« Sie schüttelte sich und sagte:
    »Igitt. Bitte keine Details, wenn's geht. Weißt du, bei Sachen mit hohem Gruselfaktor bin ich ein bisschen empfindlich. Träume nachher davon.« Er hatte ihr gerade sagen wollen, dass er ihr unnötige Beschreibungen ersparen würde, erkannte jedoch, dass

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