Verschlossen und verriegelt
wird, und mit der Pille oder einer Spirale ist ein Mädchen doch so sicher wie Fort Knox. Es gibt nichts mehr, wovor man Angst haben muss. Man selbst hatte doch eine Scheißangst, schwanger zu werden. Wie zum Teufel sind wir denn jetzt darauf gekommen?« Martin Beck lachte.
Er staunte. Aber es ließ sich nicht leugnen. Er hatte gelacht.
»Wir haben über Svärds Tür gesprochen«, sagte er.
»Ja. Und du hast gelacht. Hätte nicht gedacht, dass du das kannst.
Ich dachte schon, du hast vergessen, wie man das macht.«
»Vielleicht bin ich heute ja nur schlecht gelaunt.«
Seine Antwort war ein Fehler. Ein Hauch von Enttäuschung glitt über ihr Gesicht.
Sie hatte recht gehabt und wusste es.
Ihr Sand in die Augen zu streuen war eine Dummheit gewesen, und er sagte:
»Entschuldige.«
»Nun bin ich ja eigentlich erst so richtig liebestoll geworden, als ich sechzehn war. Aber das war früher eben anders. Damals sprach man noch vom befestigten Armenhaus, na ja, das war wohl eher noch früher. Heute könnte man von der befestigten Unsicherheit sprechen. Da hat irgendwer die Pointe nicht kapiert.«
Sie drückte ihre Zigarette aus und sagte sachlich: »Verdammt, ich rede zu viel. Immer. Und das ist nur eine Schwäche von vielen. Obwohl es ja eigentlich kein direkter Charakterfehler ist. Reden ist kein Defekt des Charakters, oder?« Er schüttelte den Kopf. Sie kratzte sich im Nacken und sagte: »Hatte Svärd immer noch die ganzen Schlösser?«
»Ja.« Sie schüttelte den Kopf und streifte die Holzsandalen ab. Setzte die Fersen auf den Boden und schwenkte die Füße nach innen, sodass sich die großen Zehen aneinanderrieben. »Ich begreife das nicht. Es muss eine Phobie gewesen sein. Aber manchmal habe ich mir richtig Sorgen gemacht. Ich habe Zweitschlüssel zu allen Türen. Ein paar meiner Mieter sind alte Leute. Sie könnten krank werden und Hilfe brauchen. Dann muss man ja in die Wohnung können. Aber was nützt einem ein Zweitschlüssel, wenn die Tür von innen verbarrikadiert ist? Svärd war doch auch nicht mehr der Jüngste.« Die Geräusche im Badezimmer veränderten sich, und sie rief:
»Brauchst du Hilfe, Ingela?«
»Ja… ich glaube schon.«
Sie stand auf und war eine Weile fort, kehrte zurück und sagte:
»Alles geregelt. Apropos, was die Sache mit dem Alter angeht, wir sind ja sicher ungefähr gleichaltrig.«
Martin Beck lächelte. Er wusste, dass fast alle glaubten, er wäre ungefähr fünf Jahre jünger als seine fast fünfzig. »Svärd war eigentlich noch gar nicht so alt«, sagte sie. »Aber er kränkelte. Es ging ihm anscheinend ziemlich schlecht. Er hat damit gerechnet, nicht mehr lange zu leben, und ungefähr zu der Zeit, als er umziehen sollte, lag er im Krankenhaus, um sich gründlich durchchecken zu lassen. Was dabei herausgekommen ist, weiß ich allerdings nicht. Aber er hat in der Strahlenklinik gelegen, und das klingt nicht gut, finde ich.«
Martin Beck horchte auf. Das war ihm neu. Doch jetzt ging erneut die Wohnungstür. Jemand sagte mit klarer Stimme:
»Rhea?«
»Ja. In der Küche.«
Ein Mann kam herein. Als er Martin Beck erblickte, zögerte er kurz, aber sie schob ihm sofort mit dem Fuß einen Stuhl hin und sagte: »Setz dich.« Der Mann war relativ jung, Mitte zwanzig. Mittelgroß und von normaler Statur. Ovales Gesicht, mittelblonde Haare, graue Augen und gesunde Zähne. Kleidung: kariertes Hemd, Cordhose und Sandalen.
In der Hand trug er eine Flasche Rotwein. »Ich habe was mitgebracht«, sagte er.
»Und dabei hab ich eigentlich gedacht, ich würde heute bei Tee bleiben«, sagte sie. »Aber okay. Stellst du bitte Gläser hin? Wir brauchen vier. Ingela ist da drinnen und wäscht.« Sie beugte sich vor und kratzte sich mit den Fingernägeln am linken Spann. Sagte:
»Mit einer Flasche kommt man zu viert nicht weit. Ich habe auch noch ein paar. Du kannst eine aus der Vorratskammer holen. Links hinter der Tür. Der Korkenzieher liegt in der obersten Schublade links neben der Spüle. Der Neuankömmling befolgte ihre Anweisungen. Er schien daran gewöhnt, ihr zu gehorchen. Als er sich hingesetzt hatte, sagte sie:
»Ihr kennt euch sicher noch nicht. Martin und Kent.«
»Hallo«, sagte der Mann. »Hallo«, grüßte Martin Beck.
Sie gaben sich die Hand.
Rhea schenkte ein und rief mit ihrer rauen Stimme:
»Ingela, hier gibt es Wein, wenn du fertig bist.«
Dann sah sie den Mann im karierten Hemd bekümmert an und sagte:
»Du siehst schlecht aus. Was ist los? Neue Katastrophen?«
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