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Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05

Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05

Titel: Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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erst einmal rasch. Schließlich waren nur einige Seiten für ihn von Belang. Die frühen Eintragungen handelten von wilden Partys, von Bettgeschichten in Landhäusern mit verheirateten Frauen, die selbst heute noch »Säulen« der Gesellschaft waren, und noch häufiger mit den Töchtern dieser Frauen. Streitigkeiten mit den Eltern, meist über Geld. Geld. In diesen frühen Eintragungen war viel von Geld die Rede, Geld für Reisen, Autos, Champagner, Kleidung. Das Tagebuch selbst begann recht merkwürdig:
    Manchmal, meist wenn ich allein bin, aber gelegentlich auch in Gesellschaft, nehme ich aus den Augenwinkeln eine Gestalt wahr. Jedenfalls glaube ich das. Doch wenn ich genau hinschaue, ist niemand da. Vielleicht ist da irgendein Gebilde, zum Beispiel eine zufällige, interessante Anordnung zwischen dem Rahmen einer offenen Tür und dem Fenster dahinter, das mich an eine menschliche Gestalt erinnert. Ich erwähne das mit der Tür und dem Fenster, weil es das jüngste Beispiel dieser Art war.
    Ich bin jedoch immer mehr davon überzeugt, dass ich tatsächlich Dinge sehe. Und was ich sehe — genauer gesagt, was mir gezeigt wird —, bin ich selbst. Jener andere Teil von mir. Als Kind hab ich die Kirche besucht und an Geister geglaubt. Ich glaube immer noch an Geister …
    Rebus übersprang den Rest und las den Anfang der nächsten Eintragung:
    Ich kann dieses Tagebuch in dem sicheren Wissen schreiben, dass wer auch immer es liest — ja du, lieber Leser — dies nach meinem Tod tut. Niemand weiß, dass es existiert, und da ich keine Freunde oder Vertrauten habe, ist es unwahrscheinlich, dass jemand es zufällig zu Gesicht bekommt. Natürlich könnte ein Einbrecher es mitnehmen. Wenn ja, Pech für ihn. Es ist nämlich das am wenigsten Wertvolle in dieser Wohnung, obwohl es wertvoller werden könnte, je länger ich es führe …
    Es gab große Lücken in der Chronologie. Manchmal waren in einem Jahr nur ein halbes Dutzend datierte Eintragungen zu finden. Black Aengus schien im Tagebuchschreiben nicht zuverlässiger gewesen zu sein als in seinem übrigen Leben. Vor fünf Jahren hatte es jedoch eine Flut von Eintragungen gegeben. Der versehentliche Einbruch in die Wohnung von Mo Johnson; wie Aengus sich mit Mo anfreundete und von ihr einem gewissen Morris Cafferty vorgestellt wurde. Nachdem Aengus ihn häufiger auf Partys sowie in diversen Pubs und Klubs getroffen hatte, hieß Cafferty nur noch »Big Ger«. Die bei weitem längste Eintragung betraf allerdings den einen Tag, der Rebus am meisten interessierte:
    Eigentlich ist es hier gar nicht so schlecht. Das Pflegepersonal ist verständnisvoll und hat immer irgendwelche Scherze oder Geschichten auf Lager. Sie bringen mich behutsam in mein Zimmer zurück, wenn ich mal wieder irgendwo herumirre. Die Flure sind lang und labyrinthisch. Einmal glaubte ich, im Flur einen Baum zu sehen, aber es war ein Bild an einem Fenster. Eine Schwester legte meine Hand auf das kalte Glas, damit ich mich selbst davon überzeugen konnte.
    Wie alle anderen hat sie es abgelehnt, Wodka einzuschmuggeln.
    Aus meinem Fenster sehe ich ein Eichhörnchen — ein rotes Eichhörnchen, glaube ich —, das von Baum zu Baum springt. Dahinter wölben sich spärlich begrünte Hügel.
    Doch eigentlich betrachte ich gar nicht diese ländliche Idylle, sondern blicke in ein Zimmer. Ein Zimmer, in dem ich mich vermutlich noch häufig aufhalten werde, selbst nachdem ich das Krankenhaus verlassen habe.
    Warum habe ich bloß versucht, meinen Vater zu dieser Pokerpartie zu überreden? Mittlerweile weiß ich die Antwort. Weil Cafferty ihn dabeihaben wollte. Und Vater war durchaus nicht abgeneigt — es steckt immer noch ein Funke in ihm, ein Funke von der Wildheit, die er mir vererbt hat. Aber er konnte nicht kommen. Wenn er dort gewesen wäre, hätte die Sache vielleicht einen anderen Verlauf genommen.
    Ich traf mich mit Onkel Matthew in der Bar. Gott, was für ein Langweiler. Er meint, weil er sich mal mit Dämonen und dem Schreckgespenst Nationalismus befasst hat, wär er wichtig. Ich hätte ihm erklären können, dass Männer wie Cafferty das Sagen haben. Sie sind diejenigen, die insgeheim die Fäden ziehen und die Puppen tanzen lassen. Sie sorgen dafür, dass die Dinge laufen. Und mein Gott, was für Dinge!
    Tarn Robertson schlug vor, ich solle bei der Pokerrunde mitmachen, die im ersten Stock stattfinden würde. Der geforderte Einsatz war nicht hoch, außerdem konnte ich immer rasch in der Blair Street Geld

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