Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
holen, falls ich noch welches brauchte. Natürlich wusste ich, was Tarn Robertson für einen Ruf hatte. Wenn er Karten austeilte, bewegten sich seine Ellbogen ständig auf und ab. Einige Leute glaubten, er könne beim Austeilen die Unterseite der Karten sehen, obwohl mir das ziemlich unwahrscheinlich erschien. Sein Bruder Eck erklärte diese Eigenheit mit der Tatsache, dass Tarn sich als junger Mann mal den Arm gebrochen hatte. Ich bin kein gewiefter Kartenspieler und rechnete damit, ein paar Pfund zu verlieren, aber ich war sicher, dass ich merken würde, wenn jemand versuchte, mich zu betrügen.
Doch als die beiden anderen Spieler auftauchten, wusste ich, man würde mich nicht linken. Einer von ihnen war Cafferty. Er hatte einen Mann namens Jimmy Bone bei sich, von Beruf Metzger. Er sah auch wie ein Metzger aus — aufgedunsenes Gesicht, rote Wangen und Finger so dick wie Würste. Außerdem hatte er so was frisch Geschrubbtes an sich. Das findet man häufig bei Metzgern, Chirurgen und Leuten, die im Schlachthof arbeiten. Sie sehen sauberer als sauber aus.
Wo ich jetzt darüber nachdenke, fällt mir auf, dass Cafferty auch so aussah. Eck ebenfalls. Und Tarn. Tarn rieb sich ständig die Hände und verbreitete einen Zitronenseifengeruch. Oder er kontrollierte seine Fingernägel und stocherte mit etwas Spitzem daran herum. Von seiner Kleidung her hätte man das nie vermutet, doch er war zwanghaft reinlich. Jetzt im Nachhinein ist mir klar, dass die Robertson-Brüder gar nicht erfreut waren, Cafferty zu sehen. Auch der Metzger wirkte nicht gerade glücklich, dass man ihn zum Spielen überredet hatte. Er beklagte sich ständig, dass er eh schon so viele Schulden hätte, doch Cafferty wollte nichts davon wissen.
Der Metzger war ein unmöglicher Pokerspieler. Er machte ein betrübtes Gesicht, wenn er schlechte Karten hatte, und zappelte herum und scharrte mit den Füßen, wenn sie gut waren. Je länger sich das Spiel hinzog, desto deutlicher wurde, dass zwischen Cafferty und den Robertsons unterschwellig etwas ablief. Cafferty beklagte sich immer wieder über die Geschäfte. Sie wären flau und Geld hätte nicht mehr den Wert wie früher. Dann wandte er sich urplötzlich mir zu und schlug mir auf den Handrücken.
»Wie viele Tote hast du schon gesehen?«
In Caffertys Gesellschaft gab ich mich noch verwegener als sonst, spielte den Ultracoolen.
»Nicht viele«, sagte ich (oder was ähnlich Lockeres).
»Überhaupt welche?«, beharrte er. Er wartete die Antwort gar nicht erst ab. »Ich hab Dutzende gesehen. Ja, Dutzende. Und was noch hinzukommt, Black Aengus, ich hab etliche davon selbst ins Jenseits befördert.«
Er nahm seine Hand weg, lehnte sich zurück und sagte nichts mehr. Die nächste Runde wurde schweigend ausgeteilt. Ich wünschte, Mo wäre da. Sie verstand es, ihn zu beruhigen. Er trank Whisky aus der Flasche und ließ ihn im Mund kreisen, bevor er ihn geräuschvoll hinunterschluckte. Nüchtern ist er unberechenbar, betrunken gefährlich. Deshalb mag ich ihn. Auf seltsame Weise bewundere ich ihn sogar. Er kriegt, was er will, und scheut dafür vor nichts zurück. Diese Zielstrebigkeit hat etwas Faszinierendes. Und natürlich bin ich in seiner Gesellschaft jemand, den man respektiert, der von Leuten geachtet wird, die mich sonst als eingebildeten Snob bezeichnen würden, oder — wie es eine bestimmte Person mal tat — als »besoffenes Stück Scheiße«. Cafferty war sauer darüber, als ich es ihm erzählte, und stattete dem Betreffenden einen Besuch ab.
Weshalb gibt er sich überhaupt mit mir ab? Bis zu jenem Abend habe ich geglaubt, dass wir vielleicht gegenseitig das Feuer im Auge des anderen erkannten. Doch nun weiß ich es besser. Er gab sich mit mir ab, weil ich für ihn ein weiteres Mittel zum Zweck war. Einem unerbittlichen und tödlichen Zweck.
Ich trank Wodka, zunächst mit Orangensaft, später pur — aber immer aus einem Glas und mit Eis. Die Robertsons tranken Bier. Sie hatten einen Kasten mit Flaschen zwischen sich auf dem Fußboden stehen. Der Metzger trank Whisky, wann immer Cafferty geruhte, ihm etwas einzuschenken, was für den armen Metzger viel zu selten geschah. Ich hatte innerhalb weniger Minuten zwanzig Pfund verloren, nach einer Viertelstunde schon sechzig. Cafferty legte wieder seine Hand auf meine.
»Wenn ich nicht zufällig vorbeigekommen wäre, hätten die dich schon bis aufs Hemd ausgezogen.«
»Ich spiele niemals falsch«, warf Tarn Robertson ein.
Ich bekam den Eindruck,
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