Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
war vor fünf Jahren, als er noch …«
»Ganz schön ungestüm war?« Vanderhyde lachte leise vor sich hin. »O ja, der Name Black Aengus passte damals durchaus zu ihm. Die Zeitungen hatten mit diesem Spitznamen den Nagel auf den Kopf getroffen.«
Rebus überlegte. »Ich hab seinen Namen aber nicht in den Unterlagen gefunden. Ihrer stand drin, seiner nicht.«
»Ich bin sicher, seine Familie hat sich darum gekümmert, dass sein Name nirgends auftauchte, Inspector. Das hätte den Medien noch mehr Zündstoff geliefert. Und das konnte die Familie überhaupt nicht gebrauchen.«
Ja, Black Aengus war weiß Gott wild gewesen, so wild, dass selbst die Londoner Zeitungen sich für ihn interessierten. Er schien sich in immer neue, wüste Exzesse zu stürzen, doch dann hörte das plötzlich alles auf. Er hatte sich vollkommen gewandelt und war heute als Mitgeschäftsführer der Brauerei und Vorstandsmitglied mehrerer bekannter Wohltätigkeitsorganisationen so respektabel, wie man nur sein konnte.
»Aus dem Saulus ist ein Paulus geworden, Inspector. Ich weiß, dass Polizisten in diesen Dingen skeptisch sind. Jeder Täter ist ein potenzieller Wiederholungstäter. Ich nehme an, in Ihrem Beruf wird man einfach zynisch, doch im Fall des jungen Aengus ist aus dem Saulus wirklich ein Paulus geworden!«
»Wissen Sie, warum?«
Vanderhyde zuckte die Achseln. »Vielleicht wegen unseres kleinen Gesprächs.«
»An jenem Abend im Central Hotel?«
»Sein Vater hatte mich gebeten, mit ihm zu reden.«
»Sie kennen also die Familie?«
»Schon lange. Ich war immer eher ein Onkel für Aengus. Als ich dann erfuhr, dass das Central genau in jener Nacht abgebrannt war, schien mir das irgendwie symbolisch. Ihm vielleicht auch. Natürlich wusste ich, in welchem Ruf das Hotel mittlerweile stand. Ich stellte mir vor, dass Aengus wie ein Phönix aus der Asche steigen würde. Und so war es dann auch.« Er hielt inne. »Doch nun sind Sie hier, Inspector, und stellen mir Fragen über längst vergangene Ereignisse.«
»Da war eine Leiche.«
»Ach ja, wurde nie identifiziert.«
»Die Leiche eines Ermordeten.«
»Und nun haben Sie die Ermittlungen aus irgendeinem Grund wieder aufgenommen? Interessant.«
»Ich wollte Sie fragen, was Sie von den Ereignissen jener Nacht noch im Kopf haben. Wer Ihnen begegnet ist, was Ihnen vielleicht verdächtig erschien.«
Vanderhyde legte den Kopf schief. »An jenem Abend hielten sich viele Leute in dem Hotel auf, Inspector. Sie haben eine Liste von ihnen. Dennoch kommen Sie zu einem blinden Mann?«
»Richtig«, antwortete Rebus. »Zu einem blinden Mann mit einem fotografischen Gedächtnis.«
Vanderhyde lachte. »Ich kann sicherlich … Eindrücke wiedergeben.« Er dachte einen Augenblick nach. »Also schön, Inspector. Für Sie werde ich mein Bestes tun. Ich habe nur eine Bitte.«
»Und die wäre?«
»Ich hocke schon zu lange hier drinnen. Gehen Sie mit mir ein bisschen raus, ja?«
»Irgendein bestimmtes Ziel?«
Vanderhyde wirkte überrascht, dass Rebus das fragte. »Aber Inspector, zum Central Hotel natürlich!«
»Also«, sagte Rebus, »hier hat es früher gestanden. Sie stehen jetzt genau davor.« Er konnte die Blicke der Vorübergehenden spüren. In der Princes Street herrschte gerade Mittagsbetrieb. Einige Passanten wirkten richtig verärgert darüber, dass sie zwei Leuten ausweichen mussten, die es wagten, auf dem Bürgersteig stehen zu bleiben! Aber die meisten sahen, dass einer der Männer blind war und der andere ihm irgendwie half, also zeigten sie sich verständnisvoll und beschwerten sich nicht.
»Und was ist dort jetzt, Inspector?«
»Ein Hamburgerladen.«
Vanderhyde nickte. »Ich dachte schon, dass es hier irgendwie nach Fleisch riecht. Sicher ein Lizenzunternehmen einer amerikanischen Kette. Die Princes Street hat auch schon bessere Tage gesehen, Inspector. Wussten Sie, dass Scottish Sword and Shield sich in ihrer Anfangszeit im Ballsaal des Central trafen? Dutzende und Aberdutzende von Leuten, die alle gelobten, das Königreich Dalriada in seinem einstigen Glanz wiederherzustellen.«
Rebus schwieg.
»Sie erinnern sich nicht an Sword and Shield?«
»Das muss vor meiner Zeit gewesen sein.«
»Das stimmt, wenn ich genau darüber nachdenke. Es war Anfang der fünfziger Jahre, eine Splittergruppe der National Party. Ich hab selbst zwei von ihren Versammlungen besucht. Erst wurde wild zu den Waffen gerufen, danach gab es Tee und Buttergebäck. Die haben sich nicht lange gehalten.
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