Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
würde wieder ganz gesund werden. Letzte Nacht hatte sie viel über ihn nachgedacht, aber noch mehr über Cafferty und seine Bande. Sie hoffte, sie würde Inspector John Rebus eine Hilfe sein. Über den Brand im Central Hotel hatte sie bereits ein paar eigene Ideen …
»Da kommt jemand«, sagte Petrie. Er hockte hinter dem Stativ und hantierte geschäftig an dem Fotoapparat herum. Dann schoss er ein halbes Dutzend Bilder. »Nicht identifiziertes männliches Wesen. Jeansjacke und helle Hose. Nähert sich zu Fuß dem Büro.«
Siobhan Clarke notierte Petries Beschreibung zusammen mit der Uhrzeit auf ihrem Block.
»Er betritt das Büro … jetzt.« Petrie wandte sich von der Kamera ab und grinste. »Deswegen bin ich zur Polizei gegangen: ein Leben voller Abenteuer.« Nachdem er das gesagt hatte, schenkte er sich aus seiner Thermosflasche eine weitere Tasse heißen Kakao ein.
»Ich kann dieses Klo nicht benutzen«, beschwerte sich Elsa-Beth Jardine. »Ich muss raus.«
»Nein, das geht nicht«, wandte Petrie ein. »Es würde viel zu viel Aufmerksamkeit erregen, wenn du jedes Mal rein und raus gehst, wenn du pissen musst.«
Jardine wandte sich an Siobhan. »Unser Kollege drückt sich ja echt gewählt aus.«
»O ja, er ist ein richtiger Mann von Welt. Doch das mit der Toilette stimmt leider.« Das Badezimmer war bei dem Einbruch im letzten Jahr überschwemmt worden und der Fußboden daher einsturzgefährdet. Deshalb der Besenschrank.
Jardine blätterte eine Seite in ihrer Zeitschrift um. »Burt Reynolds hat in seinem Haus sieben Badezimmer«, bemerkte sie.
»Eins für jeden Zwerg«, murmelt Petrie.
Rebus mochte zwar nach Siobhans Meinung immer so wirken, als wüsste er genau, was er tat, doch im Moment war ihm, als bewege er sich im Kreis. Er hatte einige Pubs aufgesucht, die früh öffneten (in der Nähe des Redaktionsgebäudes der Tageszeitung; unten bei den Docks in Leith), sowie diverse Vereine und Wettbüros, hatte dort seine Frage gestellt und überall eine Nachricht hinterlassen. Deek Torrance hielt sich entweder sehr bedeckt, oder er war nicht mehr in der Stadt. Wenn er sich noch in der Gegend aufhielt, war es unvorstellbar, dass er nicht irgendwann in eine Bar torkeln und lautstark seine Anwesenheit und seinen Durst verkünden würde. Und nur wenige Leute, die ihn einmal erlebt hatten, würden Deek Torrance vergessen.
Rebus hatte sich außerdem mit den Krankenhäusern in Edinburgh und Dundee in Verbindung gesetzt, um herauszufinden, ob einer der Robertson-Brüder mal nach einem Bruch am rechten Arm operiert wurde, jene alte Verletzung, die man bei der Obduktion der Leiche aus dem Central Hotel entdeckt hatte.
Doch nun wurde es Zeit, damit aufzuhören und sich um die »Operation Geldsäcke« zu kümmern. Er hatte Michael am Morgen schlafend in der Wohnung zurückgelassen. Die Studenten waren kurz nach Mitternacht auf Zehenspitzen hereingeschlichen, »gut abgefüllt«, wie einer von ihnen meinte, nachdem sie die dreißig Pfund, das Bestechungsgeld von Rebus, in einer Kneipe vertrunken hatten. Sie lagen ebenfalls noch in tiefem Schlaf, als Rebus die Wohnung verließ. Er wagte sich kaum einzugestehen, dass es ihm gefiel, in seinem eigenen Wohnzimmer im Sessel zu schlafen.
Das ganze Wochenende kam ihm jetzt wie ein seltsamer böser Traum vor. Die Fahrt nach Aberdeen, Tante Ena, Michael … dann die Fahrt nach Perth, die Sicherung der Wohnungstür und trotz allem noch viel zu viel Zeit zum Grübeln. Er fragte sich, wie Patiences Wochenende wohl verlaufen war. Sicher würde sie heute im Lauf des Tages zurückkommen. Er wollte noch einmal versuchen, sie telefonisch zu erreichen.
Er parkte in einer der vielen Seitenstraßen der Gorgie Road und schloss sein Auto ab. Das hier war nicht gerade eine der sichersten Gegenden der Stadt. Hoffentlich hatte Siobhan am Morgen auf dem Weg zur Arbeit keinen grünweißen Schal getragen … Er ging die Gorgie Road entlang, wo Busse die Pfützen, die der morgendliche Regen hinterlassen hatte, auf die Bürgersteige verteilten, sorgsam darauf bedacht, nicht zu dem Minicar-Unternehmen auf der anderen Straßenseite hinüberzuschauen. Ohne zu zögern, stieß er die Tür auf, stieg die Treppe hinauf und klopfte an eine andere Tür.
Siobhan Clarke persönlich öffnete ihm. »Morgen, Sir.« Sie sah verfroren aus, obwohl sie sich warm angezogen hatte. »Kaffee?«
Das Angebot bezog sich auf ihre Thermosflasche. Rebus schüttelte den Kopf. Normalerweise war es während einer
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