Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
er die prahlerische Stimme Alister Flowers auf sich zukommen. Rebus huschte in das nächstbeste Büro und wartete, bis Flower und seine Untergebenen verschwunden waren. Sie hatten nicht über ihn geredet, das war immerhin etwas. Er schämte sich nur ein wenig, dass er sich versteckte. Jeder gute Soldat weiß, wann er sich verstecken muss.
17
An diesem Abend war Michael auf und spielte den Fernsehsüchtigen. Er drückte auf der Fernbedienung herum, als wollte er einen neuen Rekord im Zappen aufstellen. Rebus fragte sich, wie viele von den Tabletten er eigentlich nahm, doch es schienen noch reichlich in der Flasche zu sein.
Zum Abendessen besorgte er Fish and Chips von einem Imbissstand in der Nähe. Es war nicht gerade die feine Küche, doch Rebus hatte kein Lust, irgendwo hinzufahren, wo es was Besseres gab. Er erinnerte Michael an die Frittenbude in ihrer Heimatstadt, wo der Koch ins Fett spuckte, um zu prüfen, ob es heiß genug war. Michael lächelte über die Geschichte, doch sein Blick blieb die ganze Zeit auf den Fernseher gerichtet. Er steckte sich einzelne Fritten in den Mund und kaute langsam, dann löste er die Panade von dem Fisch und aß sie, bevor er sich an das fettige weiße Fleisch machte.
»Gar nicht so schlecht, die Fritten«, bemerkte Rebus, während er Irn-Bru-Limonade einschenkte. Er wartete auf Patiences Anruf, damit sie ihm endlich Zeit und Ort für ihr Treffen nannte. Doch jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, war es für die Studenten.
Als es zum fünften oder sechsten Mal läutete, nahm Rebus den Hörer und sagte: »Universität Edinburgh, Vermittlung?«
»Ich bin’s«, sagte Siobhan Clarke.
»Ach, hallo.«
»Nun überschlagen Sie sich nicht gleich vor Begeisterung.«
»Was kann ich für Sie tun, Clarke?«
»Ich wollte mich wegen heute Morgen entschuldigen.«
»War ja nicht unbedingt Ihre Schuld.«
»Ich hätte den Jungs sagen sollen, wer wir sind. Ich bin in Gedanken immer wieder durchgegangen, was ich hätte tun sollen.«
»Nun ja, es wird nicht wieder vorkommen.«
»Nein, Sir.« Sie zögerte. »Ich hab gehört, Sie haben eines auf den Deckel gekriegt.«
»Sie meinen vom Chief Inspector?« Rebus lächelte. »Zum Glück hat er die verbrannte Stelle nicht erwischt. Was ist mit dem Fenster?«
»Das ist mit Brettern vernagelt. Morgen wird eine neue Scheibe eingesetzt.«
»Irgendwas Interessantes heute?«
»Das wissen Sie doch, Sir. Petrie ist am Nachmittag zurückgekommen.«
»Ach ja? Und wie geht’s ihm?«
»Er hatte einen Verband im Gesicht wie der Elefantenmann.«
Rebus war klar, wenn einer über den Zwischenfall am Morgen geplaudert hatte — und offenbar hatte das jemand —, konnte es nur Petrie gewesen sein. Also zeigte er wenig Mitgefühl. »Wir sehen uns morgen.«
»Ja, Sir. Gute Nacht.«
»Worum ging’s denn da?«, fragte Michael.
»Nichts Besonderes.«
»Hab ich mir gedacht, dass du das sagen würdest. Ist noch was Irn-Bru da?«
Rebus reichte ihm die Flasche.
Als Patience um zehn immer noch nicht angerufen hatte, gab er die Hoffnung auf und begann, sich auf das Fernsehen zu konzentrieren. Er wollte schon fast den Hörer nicht mehr abnehmen, als zehn Minuten später der nächste Anruf kam. Wahnsinniger Lärm war im Hintergrund zu hören, eine Party oder ein Pub. Ganz in der Nähe wurde ein schlechter Song schlecht gesungen.
»Stell das ein bisschen leiser, Mickey.« Michael drückte die Stummtaste und brachte einen Politiker in den Nachrichten zum Schweigen. »Hallo?«
»Sind Sie das, Mr Rebus?«
»Ja.«
»Hier ist Chick Muir.« Chick war einer von Rebus’ Kontaktpersonen.
»Was gibt’s, Chick?« Der Song hatte geendet, und Rebus konnte Klatschen, Gelächter und Pfiffe hören.
»Der Mann, den Sie suchen, sitzt etwa sieben Meter von mir entfernt und hält sich einen dreifachen Whisky unter die Nase.«
»Danke, Chick. Ich bin gleich da.«
»Moment mal. Wollen Sie denn nicht wissen, wo ich bin?«
»Sei doch nicht so dämlich, Chick. Natürlich weiß ich, wo du bist.«
Rebus legte den Hörer auf und sah zu Mickey, der offenbar eingeschlafen war. Er schaltete den Fernseher aus und holte seine Jacke.
Es war kein Problem zu erraten, dass Chick Muir aus der Bowery angerufen hatte, einer Kneipe mit Nachtlizenz am unteren Ende der Easter Road. Das Pub hatte bis vor einem Jahr Finnegan’s geheißen, als ein neuer Besitzer die »geniale« Idee hatte, den Namen zu ändern, weil er, wie er erklärte, viele Ärsche auf den Stühlen sehen wollte.
Ärsche
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