Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
aushielt, wunderte sich Rick, als Debbie Mardson in den Hörer kicherte. »Ich hab gehofft, du wärst schon auf dem Heimweg.«
»Ich sitze hier noch eine Weile im Büro fest. Keine Ahnung, wie lange das noch dauert. Warum um alles in der Welt muss dieses Mädchen Wimperntusche auftragen? Sie hat deine Augen mit den längsten Wimpern von ganz Wyoming.« Er sah sie vor sich, den langen sanften Schwung ihrer Wimpern und die kornblumenblauen Augen dahinter.
»Aus denselben Gründen wie ich – zu dünne Wimpern. Außerdem gehört so was zur Grundausstattung jeder Frau.«
»Willst du es ihr erlauben?«
»Ich denk drüber nach.«
Er rieb sich den Nacken. Er war als Mann deutlich in der Minderheit. »Erst ging es nur um Lippenstift.«
»Um Gloss«, verbesserte ihn Debbie. »Um Lipgloss.«
»Egal. Und jetzt ist es Wimperntusche. Als Nächstes will sie ein Tattoo. Das hat uns gerade noch gefehlt.«
»Ich denke, das mit dem Tattoo können wir noch eine Weile verhindern. Rufst du mich an, wenn du losfährst? Dann kann ich dir dein Essen warm machen.«
»Es könnte spät werden. Ich hab mir ein Hackbraten-Sandwich vom Joanie’s geholt, also mach dir wegen mir keine Mühe. Gib den Mädels einen Kuss von mir.«
»Wird gemacht. Und stress dich nicht zu sehr, damit du bald nach Hause kommen und mich küssen kannst.«
»Ich werd mich bemühen. Deb? Ich liebe dich.«
»Ich dich auch. Bye.«
Er saß noch eine Weile da, trank seinen Kaffee, aß sein Sandwich und dachte an seine Frau sowie an seine drei Töchter. Er wollte nicht, dass seine Kleine Make-up trug. Aber er wusste jetzt schon, dass sie ihn herumkriegen würde. Seine Älteste war genauso hartnäckig wie ihre Mutter.
Seufzend stopfte er die Papierserviette in die Take-away-Tüte und warf beides weg. Während er sich eine zweite Tasse Kaffee einschenkte, ging er Reeces Zeugenaussage im Kopf noch mal durch, ließ die Details und Zeitangaben erneut Revue passieren. Kopfschüttelnd gab er Milchpulver in seinen Kaffee und nahm ihn mit in sein Büro.
Er fuhr seinen Computer hoch. Es war an der Zeit, mehr über Reece Gilmore herauszufinden, als dass sie keine Vorstrafen hatte und aus Boston stammte.
Er verbrachte mehrere Stunden mit Recherchieren, Lesen, Telefonaten und Notizen. Anschließend besaß er eine ganze Akte über sie, die er nach kurzer Überlegung in der untersten Schublade seines Schreibtischs verschwinden ließ.
Es war schon spät, als er das Büro verließ, und er fragte sich, ob seine Frau wohl noch auf war.
Als er am Angel Food vorbeifuhr, bemerkte er, dass in der Wohnung im ersten Stock noch Licht brannte.
Um sieben Uhr früh, als Reece versuchte, sich auf die Zubereitung von Buttermilchpfannkuchen und Spiegeleiern zu konzentrieren, bewaffnete sich Brody mit einer Thermoskanne Kaffee und stieg zu Rick in den Wagen.
»Morgen. Danke, dass du mitfährst, Brody.«
»Kein Problem. Ich verbuche das unter Recherche.«
Rick lächelte kurz. »Wir scheinen es in der Tat mit einer Art Krimi zu tun zu haben. Wie viel Zeit, sagtest du, ist vergangen, nachdem Reece das Verbrechen beobachtet haben will und du mit ihr zu der Stelle zurück bist?«
»Ich weiß nicht, wie lange sie von da oben bis zu mir gebraucht hat. Sie ist gerannt, und ich war schon am Aufsteigen. Nicht mehr als zehn Minuten, würde ich sagen. Dann sind etwa fünf Minuten verstrichen, bis wir wieder dorthin aufgebrochen sind, und noch mal zehn, fünfzehn Minuten, bis wir dort waren.«
»Und in welcher Verfassung war sie, als du sie gesehen hast?«
»Na wie man es halt von einer Frau erwartet, die gerade mitansehen musste, wie eine andere Frau erwürgt wurde«, sagte Brody spürbar gereizt.
»Verstehe. Denk jetzt bitte nicht, dass ich schwer von Begriff bin, Brody. Aber ich muss die Sache auch aus einer anderen Perspektive betrachten. Ich möchte wissen, ob ihre Angaben logisch waren, ob sie klar bei Verstand war.«
»Nachdem ein paar Minuten vergangen waren, schon. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sie keine Möglichkeit hatte, Hilfe zu holen, und zum ersten Mal auf diesem Weg unterwegs war. Dass sie allein war, geschockt, verängstigt und hilflos, als sie die Sache beobachtet hat.«
»Mit einem Fernglas, auf der anderen Seite des Snake River.« Rick hob die Hand. »Kann gut sein, dass es genau so gewesen ist, wie sie es behauptet. Aber ich kann auch die Fakten nicht ignorieren, die Tatsache, dass es keine Spuren gibt. Bist du dir absolut sicher, dass sie sich nicht geirrt hat?
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