Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
sie hinunterwürge …«
»Kein Kalbsbries, ich verstehe.«
Und jetzt? Ihr fiel beim besten Willen kein Gesprächsthema mehr ein, kein Smalltalk. Früher hatte sie so etwas gut gekonnt. Sie hatte es genossen, sich zu verabreden, mit einem Mann essen zu gehen, sich zu unterhalten, Spaß zu haben. Aber ihr Gehirn weigerte sich schlichtweg, ihr irgendetwas in der Art vorzuschlagen.
»Er kommt, wenn er kommt.«
Sie begegnete Brodys Blick. »Wenn ich so leicht durchschaubar bin, sollte ich mir lieber eine Sonnenbrille zulegen.«
»Es ist doch nur normal, dass Ihnen die Sache nicht mehr aus dem Kopf geht. Sie haben sie verdrängt, während sie gekocht haben.«
»Er muss sie inzwischen gefunden haben. Wer auch immer das getan hat – er kann sie nicht weit weggeschafft haben, und wenn er sie vergraben hat …«
»Es wäre einfacher, sie mit ein paar Felsen zu beschweren und in den Fluss zu werfen.«
»Oh Gott! Vielen Dank für dieses albtraumhafte Bild, das mich nachher bestimmt noch im Schlaf verfolgen wird.«
»Natürlich wird die Leiche nicht unten bleiben, nicht bei der Strömung. Irgendwann wird sie wieder hochkommen. Irgendein Angler wird dann über sie stolpern oder ein Wanderer, ein Kajaker, ein Tourist aus Omaha, was immer Sie wollen. Irgendjemand wird eine hübsche Überraschung erleben, wenn er sie findet.«
»Würden Sie bitte damit aufhören.« Aber sie runzelte die Stirn. »Selbst, wenn er etwas Derartiges tun würde, würde er Spuren hinterlassen, irgendein Indiz. Blut – er hat ihren Kopf ziemlich fest gegen den Boden geschlagen – oder niedergetrampeltes Schilf oder … Fußabdrücke. Oder etwa nicht?«
»Wahrscheinlich schon. Er hat nicht gemerkt, dass er beobachtet wurde, also warum sollte er dann seine Spuren verwischen? Wahrscheinlich war er viel zu sehr damit beschäftigt, die Leiche zu beseitigen und abzuhauen.«
»Ja. Der Sheriff wird bestimmt etwas finden.«
Sie sprang auf, als sie Schritte auf der Treppe hörte.
»Das wird er sein«, sagte Brody leichthin und rutschte vom Barhocker, um ihm aufzumachen.
7
»Brody.« Rick nahm seinen Hut ab, als er hereinkam. »Reece.« Sein Blick streifte die Küchentheke. »Tut mir leid, wenn ich Sie beim Abendessen störe.«
»Das macht nichts, wir haben bereits gegessen.« Obwohl ihre Knie zitterten, ließ sich Reece vom Hocker gleiten. »Haben Sie sie gefunden?«
»Darf ich mich setzen?«
Wie hatte sie nur das Ritual vergessen können, das jedes Mal gleich abläuft, wenn Cops vorbeikommen? Man musste sie hereinbitten, ihnen einen Stuhl anbieten, Kaffee. Sie hatte enorme Kaffeevorräte gehabt, damals. Für Freunde. Für die Polizei.
»Tut mir leid.«
Reece zeigte auf das Sofa. »Bitte. Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
»Nein danke.« Nachdem er sich auf dem Sofa niedergelassen hatte, legte Rick seinen Hut auf den Schoß und wartete, bis sich Reece ebenfalls gesetzt hatte. Wie schon zuvor in seiner eigenen Blockhütte blieb Brody an die Küchentheke gelehnt stehen.
Sie wusste Bescheid, bevor Rick auch nur den Mund aufmachte – sie brauchte bloß sein Gesicht zu sehen. Sie hatte gelernt, die neutrale Miene der Polizei zu durchschauen.
»Ich habe nichts gefunden.«
Und trotzdem schüttelte sie den Kopf. »Aber …«
»Immer mit der Ruhe«, unterbrach sie Rick. »Am besten, Sie erzählen mir noch mal, was Sie genau gesehen haben.«
»Oh Gott.« Reece schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht, presste ihre Finger gegen die Lider und ließ die Hände schließlich in den Schoß sinken. Aber natürlich. Alles noch mal von vorn. Auch das gehörte zum Ritual. »Okay.«
Sie erzählte die ganze Geschichte noch einmal, alles, woran sie sich erinnern konnte. »Er muss die Leiche in den Fluss geworfen, sie begraben haben oder …«
»Wir werden der Sache nachgehen. Sind Sie ganz sicher, was den Schauplatz des Verbrechens betrifft?« Er sah kurz zu Brody hinüber.
»Ich hab dir die Stelle auf der Karte gezeigt, wo es laut Reece passiert ist. Gleich neben den kleinen Wasserfällen.«
»Auf der anderen Seite des Flusses«, sagte Rick in einem Ton, der genauso neutral war wie seine Miene. »Bei der Entfernung können Sie sich leicht getäuscht haben. Und zwar beträchtlich.«
»Nein. Die Bäume, die Felsen. Das Wildwasser. Ich habe mich nicht getäuscht.«
»An der besagten Stelle waren keinerlei Kampfspuren zu sehen. Nicht das Geringste.«
»Er muss sie verwischt haben.«
»Kann sein.« Aber sie hörte den Zweifel in seiner Stimme, der
Weitere Kostenlose Bücher