Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
sich in seinen neutralen Ton eingeschlichen hatte. »Ich werd morgen früh noch mal hingehen, bei Tageslicht. Brody? Vielleicht möchtest du mich ja begleiten, damit ich auch wirklich die richtige Stelle absuche. Bis dahin werde ich ein paar Anrufe erledigen, nachprüfen, ob irgendeine Touristin oder Einwohnerin vermisst wird.«
»Es gibt ein paar Ferienhäuser in der Gegend.« Brody griff nach dem Glas Wein, das er auf der Küchentheke abgestellt hatte.
»Die der näheren Umgebung hab ich alle schon überprüft. Ich besitze selbst welche und Joanie auch. Aber zur jetzigen Jahreszeit ist kaum noch was los. Ich habe niemanden angetroffen, und nichts weist darauf hin, dass sie derzeit belegt sind. Aber auch das werde ich noch mal überprüfen. Wir gehen der Sache auf den Grund, Reece, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Brody? Willst du morgen früh mit mir mitfahren?«
»Klar, kein Problem.«
»Ich kann kurz runtergehen und Joanie fragen, ob ich morgen Vormittag freibekomme. Dann könnte ich Sie begleiten«, hob Reece an.
»Brody war ja dabei. Einer reicht. Übrigens wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie absolutes Stillschweigen über die Sache bewahren würden. Zumindest vorerst. Wir sollten erst mal gründliche Nachforschungen anstellen, bevor es Gerüchte gibt.« Rick erhob sich und nickte Brody zu. »Wie wär’s, wenn ich dich morgen früh um halb acht abhole?«
»Ich werde da sein.«
»Versucht, den restlichen Abend zu genießen. Reece, vergessen Sie die Sache vorerst. Mehr können Sie nicht tun.«
»Nein. Mehr kann ich nicht tun.« Reece blieb sitzen, als Rick seinen Hut aufsetzte und hinausging.
»Er glaubt mir nicht.«
»Das hat er nicht gesagt.«
»Sie wissen ganz genau, dass ich Recht habe.« Hilflose Wut stieg in ihr auf. »Das haben Sie doch auch gemerkt.«
Brody stellte sein Weinglas ab und kam zu ihr herüber. »Warum sollte er Ihnen nicht glauben?«
»Weil er nichts gefunden hat. Weil es niemand außer mir gesehen hat. Weil ich erst seit ein paar Wochen hier wohne. Weil, weil.«
»Ich habe genau dieselben Informationen, und ich glaube Ihnen.«
Ihre Augen brannten. Am liebsten hätte sie ihr Gesicht an seine Brust gedrückt und ihren Tränen freien Lauf gelassen. Stattdessen blieb sie sitzen und verkrampfte die Hände in ihrem Schoß.
»Danke.«
»Ich werde jetzt nach Hause fahren. Und Sie sollten den Rat des Sheriffs befolgen und die Sache vorerst aus Ihren Gedanken verbannen. Nehmen Sie eine Schlaftablette und gehen Sie ins Bett.«
»Woher wollen Sie wissen, ob ich überhaupt Schlaftabletten dahabe?«
Seine Lippen verzogen sich zu einem winzigen Lächeln. »Nehmen Sie eine Ambien und schalten Sie ab. Ich sag Ihnen dann morgen Bescheid, wie’s war.«
»Prima. Danke.« Sie stand auf, um ihn zur Tür zu bringen. »Gute Nacht.«
Zufrieden darüber, sie verärgert statt deprimiert zurückgelassen zu haben, marschierte er ohne ein weiteres Wort hinaus.
Sie schloss die Tür hinter ihm ab, kontrollierte, ob sie und die Fenster verschlossen waren. Aus alter Gewohnheit wollte sie gleich in die Küche gehen, um Teller und Töpfe zu spülen, drehte sich dann jedoch um und machte ihren Laptop an.
Sie würde alles aufschreiben, einfach alles, in ihr Tagebuch.
Während Reece vor ihrer Tastatur saß, schloss Rick die Tür zu seinem Büro auf und machte das Licht an. Er hängte Hut und Mantel an die Garderobe und ging dann in den kleinen Aufenthaltsraum, um sich eine Kanne Kaffee zu machen.
Während der Kaffee durchlief, rief er zu Hause an. Wie erwartet, nahm seine Tochter nach dem ersten Klingeln ab. »Hallo Daddy! Darf ich einen Minirock zum Spring Fling anziehen? Einen ganz normalen Minirock, alle anderen haben auch einen an. Bitte.«
Er drückte die Finger in die Augenhöhlen. Noch nicht einmal dreizehn, und schon mussten es Wimperntusche und Schulpartys sein. »Was sagt denn deine Mutter dazu?«
»Sie sagt, sie denkt drüber nach. Daddy …«
»Dann werde ich auch drüber nachdenken. Gib mir deine Mutter, Schätzchen.«
»Kannst du nicht heimkommen? Dann können wir drüber reden .«
Das hatte ihm gerade noch gefehlt. »Ich muss heute bis spät arbeiten, aber wir können uns morgen darüber unterhalten. Und jetzt gib mir bitte deine Mama.«
»Mom! Daddy ist am Telefon. Er muss bis spät arbeiten, und wir werden uns morgen ganz vernünftig über meine Wimperntusche unterhalten.«
»Danke für den Hinweis.« Sie klang eher amüsiert als genervt – wie sie das bloß
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