Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
sie.«
»Bescheid über was?«
»Lass uns unseren Rundgang hier beenden, dabei erzähl ich dir alles. Und ich gehe davon aus, dass du alles, was ich dir jetzt sage, für dich behältst. Vermutlich gehörst du zu den wenigen hier in der Gegend, die dazu überhaupt fähig sind.«
Während sie weitergingen, ließ Brody den Boden nicht aus den Augen und musterte das Niederholz. Er musste sich eingestehen, dass er Rick nur allzu gern eines Besseren belehrt hätte.
Mit anderen Worten: Ihm wäre lieber, eine Frau war tot, als dass sich eine andere geirrt hatte.
Aber er wusste einfach noch zu gut, wie verstört sie ausgesehen hatte, wie schwer es ihr gefallen war, während des langen Rückwegs nicht die Nerven zu verlieren. Und wie einsam und verloren sie in ihrem beinahe leeren Apartment gewirkt hatte.
»Ich hab Nachforschungen über sie angestellt.« Als Brody stehen blieb und die Augen zusammenzog, schüttelte Rick den Kopf. »Das gehört zu meinem Job. Jemand Neues kommt her und lässt sich bei uns nieder. Dann will ich wissen, ob derjenige sauber ist. Bei dir hab ich genau dasselbe gemacht.«
»Und, habe ich die Prüfung bestanden?«
»Habe ich dir gegenüber jemals auch nur ein Wort darüber verloren?« Er schwieg und wies mit dem Kinn nach links. »Das ist die Rückseite von einem von Joanies Ferienhäusern. Es ist das nächstgelegene, und wir haben etwa zehn Minuten gebraucht, um hierher zu kommen. Wir sind flott gelaufen und mussten keine Leiche mitschleppen. Mit einem Fahrzeug näher heranzukommen ist unmöglich. Außerdem müsste es sonst Reifenspuren geben.«
»Bist du rein und hast nachgesehen? In das Ferienhaus?«
»Nur weil ich eine Dienstmarke habe, heißt das noch lange nicht, dass ich fremden Besitz betreten darf. Aber ich habe mich umgesehen, durch die Fenster geschaut. Die Türen sind verschlossen. Ich bin auch zu den anderen beiden Häusern hier in der Nähe, von denen eines mir gehört. Darin habe ich nachgeschaut. Nichts.«
Sie liefen trotzdem weiter, erreichten das Ferienhaus, umrundeten es.
»Reece ist sauber, falls es dich interessiert«, fuhr Rick fort, während Brody durch eines der Fenster in die Blockhütte linste. »Aber sie war vor ein paar Jahren in etwas verwickelt.«
Brody trat einen Schritt zurück und wählte seine Worte mit äußerster Sorgfalt. »Verwickelt in was?«
»In ein Massaker in einem Restaurant, in dem sie in Boston gearbeitet hat. Sie war die einzige Überlebende. Sie wurde zweimal angeschossen.«
»Das ist ja furchtbar.«
»Ja. Man hat sie für tot gehalten und in einer Art Abstellkammer liegen lassen. Ich hab mir die Details von einem Cop aus Boston geben lassen, der den Fall bearbeitet hat. Sie war in der Küche, die anderen waren alle im Speisesaal. Sie hat Schreie gehört, Schüsse – soll noch versucht haben, nach ihrem Handy zu greifen. Einer der Männer kam rein und hat auf sie geschossen. An viel mehr kann oder konnte sie sich nicht erinnern. Sie konnte ihn nicht genau erkennen, flog rückwärts in die Abstellkammer und wurde dort liegen gelassen, bis sie die Cops ein paar Stunden später fanden. Der, mit dem ich gesprochen habe, meinte, sie hätte beinahe nicht überlebt. Nach der OP lag sie eine gute Woche im Koma, anschließend hatte sie Gedächtnislücken. Ihre geistige Verfassung war nicht viel besser als ihre körperliche.«
Nichts, was er sich vorgestellt hatte, reichte an diese Schilderungen heran. »Wie ist so was bloß möglich?«
»Was ich damit sagen will, ist, dass sie einen Nervenzusammenbruch hatte. Sie war ein paar Monate in der Psychiatrie. Sie konnte der Polizei einfach nicht genügend Details oder Beschreibungen liefern. Die Täter, die all diese Leute umgebracht haben, wurden nie gefasst. Und dann ist sie von der Bildfläche verschwunden. Der leitende Ermittler hat im ersten Jahr danach mehrfach Kontakt zu ihr aufgenommen. Als er es das letzte Mal versucht hat, war sie umgezogen, ohne eine neue Adresse zu hinterlassen. Sie hat Familie – eine Großmutter -, aber die konnte ihm auch nur sagen, dass Reece verschwunden sei und nicht vorhatte, zurückzukommen.«
Rick blieb stehen und ließ den Blick konzentriert über die Umgebung schweifen. Dann machte er kehrt und trat den Rückweg an. Ein Teichrohrsänger sang sein schnelles, schrilles Lied. »Ich kann mich sogar selbst noch vage daran erinnern – die Morde kamen in den überregionalen Nachrichten. Damals dachte ich noch, Gott sei Dank leben wir hier draußen und nicht in der
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