Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
aufzupassen. Mir ist nur ein bisschen schwindelig. Außerdem ist mir das Ganze furchtbar peinlich.«
Aber zittern tust du auch ganz schön, dachte Linda-Gail, nahm Reece die Flasche ab und öffnete sie für sie.
»Ich reagiere jedes Mal so, wenn ich eine Spinne sehe. Nicht nur eine von den großen fetten – du weißt schon, die, die aussehen, als ob sie locker eine große Katze tragen könnten. Sogar ganz kleine jagen mir schon eine Todesangst ein. Einmal bin ich gegen eine geschlossene Tür gerannt, nur weil ich schnellstmöglich aus dem Zimmer kommen wollte, in dem ich eine Spinne entdeckt hatte. Ich war halb bewusstlos. Und jetzt halte dir den Eisbeutel an den Kopf, wie Joanie es dir gesagt hat. Ich wette, dein Kopf fühlt sich auch so an, als hättest du eine dicke, fette Spinne darauf sitzen.«
»Kann schon sein. Aber Pete …«
»Dass du in Ohnmacht gefallen bist, hat Pete dermaßen erschreckt, dass er seinen eigenen Schmerz ganz vergessen hat. Immerhin etwas.«
»Eine gute Tat.«
»Und Joanie macht sich solche Sorgen um euch, dass sie nicht mal genervt ist, weil sie sich nach einem Ersatz für ihn umschauen muss, bis die Fäden gezogen werden. Zwei gute Taten.«
»Ich bin ja die reinste Mutter Theresa.«
»Hast du Lust, nachher ein Bier trinken zu gehen, um auf deine guten Taten anzustoßen?«
Reece nahm noch einen Schluck von dem kalten Wasser. »Weißt du was? Und ob ich darauf Lust habe!«
Das Essen im Clancy’s war gar nicht mal so schlecht – nicht, wenn man es mit Bier hinunterspülte. Aber viel wichtiger war es für Reece, dass sie wieder einen großen Schritt vorwärts gemacht hatte.
Sie saß mit einer Freundin in einer Bar.
In einer sehr merkwürdigen Bar für ihren verwöhnten Ostküstengeschmack.
An den Wänden hingen Jagdtrophäen. Ausgestopfte Bären-, Elch- und Hirschköpfe schmückten die Kiefervertäfelung sowie etwas, das laut Linda-Gail mehrere riesige Angeberforellen waren. Sie alle starrten mit einem Gesichtsausdruck in die Bar, den Reece nur als leicht schockiert oder verärgert beschreiben konnte.
Die Vertäfelung, die unten aus ganzen Baumstämmen bestand, sah aus, als habe sie die Zigaretten- und Alkoholausdünstungen ganzer Generationen aufgesogen.
Die Bodendielen waren abgewetzt und verkratzt und hatten sicherlich öfter die ein oder andere Bierdusche abbekommen. Ein Teil des Lokals, nämlich der vor einer kleinen Bühne, war zum Tanzen gedacht.
Die Bar selbst war groß und schwarz. Sie war das Reich von Michael Clancy, der vor etwa zwölf Jahren direkt aus dem Südwesten Irlands nach Wyoming gekommen war. Er hatte eine Frau geheiratet, die angeblich ein Viertel indianisches Blut in sich hatte und sich Rainy nannte. Clancy sah genauso aus, wie man sich einen großen, angeberischen Iren eben so vorstellt, der eine Bar besitzt. Und Rainy machte je nach Lust und Laune Nachos oder Ofenkartoffeln in der Küche.
Die Barhocker waren durchgesessen und von Generationen von Ärschen auf Hochglanz poliert. Es gab Budweiser und Guinness vom Fass und flaschenweise heimische Biere, von denen eines verheißungsvoll Buttface Amber hieß und das Reece abgelehnt hatte. Ansonsten gab es noch irisches Harp oder Budweiser Light, das vor allem von den weiblichen Gästen bevorzugt wurde und laut Clancy bloß was für Weicheier war. Die dicht gedrängten Flaschen hinter der Bar enthielten fast ausnahmslos Whiskeysorten.
Vor dem Wein, den Clancy aus Kartons ausschenkte, hatte Linda-Gail Reece bereits gewarnt: Er sei billig und schmecke nach Pferdepisse.
In einem anderen Teil des Lokals standen ein paar Billardtische, und man hörte das laute Klackern der Kugeln, das die Musik aus den Lautsprechern noch übertönte.
»Wie geht’s deinem Kopf?«, erkundigte sich Linda-Gail.
»Er sitzt noch fest auf meinen Schultern und fühlt sich bestimmt nicht besser an als Petes Hand.«
»Sieben Stiche. Autsch! Aber er war ganz begeistert, wie du dich um ihn gekümmert hast, als er wieder da war. Wie du ihn gedrängt hast, sich zu setzen, und ihm die gebratene Forelle höchstpersönlich serviert hast.«
»Er ist ein netter Kerl.«
»Oh, ja. Apropos Kerle: Jetzt, wo ich dich gerade mit Alkohol abfülle, kannst du ruhig mal den Mund aufmachen. Komm, sag schon.« Sie hob die Brauen und ließ ihre Grübchen sehen. »Wie scharf ist Brody?«
Wenn sie eine Freundin haben wollte, dann musste sie sich auch wie eine verhalten, beschloss Reece. Sie beugte sich vor: »Hochexplosiv.«
» Wusst
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