Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
Ich habe es genossen, dort zu sitzen, an meinem Wein, Tee oder Mineralwasser zu nippen und mich beim Hinausgehen wie ein völlig neuer Mensch zu fühlen. Einer von den Momenten, in denen ich es wirklich genossen habe, eine Frau zu sein.«
Sie kehrte ihm den Rücken zu, um das übrig gebliebene Essen in den beiden Take-away-Behältern zu verstauen, die sie aus dem Joanie’s mitgenommen hatte. »Nachdem ich aus dem Krankenhaus gekommen bin, hat mir meine Großmutter einen Gutschein für mein Day-Spa geschenkt. Für einen Haarschnitt, Maniküre, eine Gesichtsbehandlung und eine Massage. Alle haben sich rührend um mich gekümmert, waren unglaublich freundlich. Ich habe schon in der Umkleide eine Panikattacke bekommen. Aber ich schaffte es nicht mal, mir die Bluse aufzuknöpfen und den Bademantel anzuziehen. Ich musste da sofort wieder raus.«
Sie nahm die Behälter und stellte sie in den Kühlschrank. »Mein Stylist kannte mich bereits seit Jahren. Er ist wirklich ein Schatz. Er hat mir sogar angeboten, zu mir nach Hause zu kommen. Aber das kam für mich auch nicht infrage.«
»Warum nicht?«
»Ich fand das einfach nur demütigend.«
»Schön blöd.«
»Kann schon sein, aber so war es eben. Und gedemütigt zu sein fühlte sich immer noch besser an, als Angst zu haben. Für sich betrachtet ist so eine Schönheitssalon-Phobie nicht besonders dramatisch. Aber es summiert sich eben.«
»Vielleicht solltest du’s mal wieder versuchen.«
Sie drehte sich zu ihm um. »Seh ich so schlimm aus?«
»Du siehst gut aus. Aber das ist wohl Veranlagung. Trotzdem könnte es nicht schaden, es noch mal zu versuchen, wenn es dir früher so viel Freude gemacht hat.«
Veranlagung, dachte sie, während sie die Teller abtropfen ließ. Nicht gerade ein romantisches Kompliment. Aber schon das genügte, dass sie sich so wohl in ihrer Haut fühlte wie schon lange nicht mehr.
»Mal sehen.«
Sie drehte sich um und trocknete sich die Hände an dem Geschirrtuch ab. Er stand auf und kam auf sie zu. Sie wich nicht aus, obwohl sie kurz mit dem Gedanken gespielt hatte. Ausweichen hätte bei ihm ohnehin nicht funktioniert. Um ehrlich zu sein, wusste sie nicht genau, ob sie einen Schritt zurück oder lieber einen auf ihn zu machen wollte.
Er nahm ihr das Geschirrtuch ab und warf es dermaßen achtlos beiseite, dass sie zusammenzuckte. Es durfte nicht verkrumpelt trocknen, sonst …
Er stützte die Hände links und rechts von ihr auf die Spüle, so wie neulich auf die Motorhaube. »Was gibt’s zum Nachtisch?«
»Apple Brown Betty mit Bourbon-Vanilleeis. Es ist im Ofen …«
Sein Mund ergriff Besitz von ihrem, fordernd und verlangend. Sie schmeckte den Wein auf seiner Zunge, berauschend und verführerisch zugleich, sie spürte seine Zähne. Das Blut rauschte in ihren Adern, und es war, als habe sie der Blitz getroffen.
»Hilfe«, brachte sie gerade noch hervor. »Ich bekomm gleich einen Kurzschluss im Gehirn. Es zischt und qualmt schon.«
»Vielleicht solltest du dich lieber hinlegen.«
»Gern. Das würde ich wirklich gern. Ich hab sogar extra frische Bettwäsche aufgezogen, nur für den Fall.«
Seine Mundwinkel wanderten nach oben. »Du hast frische Bettwäsche aufgezogen.«
»Das hielt ich durchaus für angebracht. Aber … würdest du bitte einen Schritt zurücktreten? Ich bekomme keine Luft mehr.«
Er lehnte sich zurück. »Ist es so besser?«
»Ja und nein.« Er war unglaublich faszinierend, fand sie. Das war ihr schon gleich am Anfang aufgefallen. Er war nicht wirklich gut aussehend, aber dafür äußerst attraktiv. Unglaublich männlich. Große Hände, große Füße, ein fester Mund und ein ebenso fester Körper.
»Ich will mit dir ins Bett, ich möchte diese intensiven Gefühle wieder erleben. Aber ich fürchte, ich brauche noch etwas Zeit, bis ich selbstsicherer geworden bin.«
»Und sicherer in Bezug auf mich.«
»Genau das mag ich so an dir. Du verstehst mich sofort. Für dich wäre das etwas völlig Normales – vielleicht auch etwas Großartiges -, aber dennoch normal. Für mich wären solche Intimitäten nach der langen Zeit einfach nur – überwältigend. Ich denke, wir sollten uns vorher beide sicher sein, denn für dich bedeutet das auch eine ziemliche Verantwortung.«
»Verstehe. Du schläfst sonst nicht mit mir um meinetwillen.«
»Sozusagen.«
»Wie rücksichtsvoll von dir.« Er berührte sie und küsste sie erneut. Diesmal glitten seine Hände ihren Körper hinab, erkundeten ihre Brüste, ihre Taille, ihre
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