Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
ich’s doch!« Linda-Gail schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das sieht man auch. Diese Augen, dieser Mund. Schlecht gebaut ist er auch nicht, aber sein Mund ist der Wahnsinn. Zum Anbeißen.«
»Oh ja, das ist er.«
»Und welche anderen Körperteile hast du noch angeknabbert?«
»Mehr nicht. Aber ich denk drüber nach.«
Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen lehnte sich Linda-Gail zurück. »Du verfügst ja über eine fast übermenschliche Selbstbeherrschung. Ist die antrainiert oder angeboren?«
»Eine Art Nebeneffekt meiner erbärmlichen Angst. Inzwischen dürftest du ja über mich Bescheid wissen.«
Um ihnen beiden etwas Zeit zu gönnen, nippte Linda-Gail an ihrem Bier.
»Stört dich das?«
»Keine Ahnung. Manchmal schon. Und manchmal ist es auch eine Erleichterung.«
»Ich wusste nicht, ob ich etwas sagen sollte oder lieber nicht. Und schon gar nicht, nachdem Joanie …« Sie verstummte und zeigte ein übertriebenes Interesse an ihrem Bier.
»Nachdem Joanie was?«
»Eigentlich darf ich dir das gar nicht erzählen. Aber wo ich schon mal damit angefangen habe: Sie hat uns eine regelrechte Standpauke gehalten, als Juanita anfing, drüber zu schwatzen. Juanita meint das nicht böse, sie kann einfach bloß den Mund nicht halten. Und ihren Rock könnte sie meiner Meinung nach auch öfter unten lassen.«
Linda-Gail nippte wieder an ihrem Bier. »Wie dem auch sei, Joanie hat ihr ganz schön die Leviten gelesen. Und keinen Zweifel daran gelassen, dass wir dich mit diesem Thema in Ruhe lassen sollen. Aber jetzt, wo du selbst davon angefangen hast …«
»Ist schon gut.« Unglaublich, wie ihr die unnachahmliche Joanie Parks zur Seite stand. »Ich red bloß nicht so gern drüber.«
»Das kann ich gut verstehen.« Linda-Gail griff nach Reeces Hand und drückte sie. »Wirklich. Wenn ich so was durchgemacht hätte, würde ich noch heute zusammengeringelt in einer Ecke liegen und nach meiner Mutter rufen.«
»Nein, das würdest du nicht, aber trotzdem danke.«
»Dann lass uns mal lieber über Männer und Sex und Essen und Schuhe reden wie zwei ganz normale Menschen.«
»Von mir aus gern.« Reece nahm sich noch ein Nacho. »Apropos Essen: Was hier drübergekippt wurde, hat übrigens nicht die geringste Ähnlichkeit mit Käse.«
»Es ist orange.« Linda-Gail tauchte ihren Nacho in die Sauce und zog ihn kurz darauf durch etwas, das vorgab, Guacamole zu sein. »Aber so was Ähnliches. Und damit du bei mir in Sachen Männern ebenfalls Bescheid weißt: Ich werde Lo heiraten.«
»Ach du meine Güte!« Reece ließ ihren Nacho-Chip mit einem lauten Plopp auf den Teller fallen. »Das ist ja fantastisch. Ich hatte ja keine Ahnung, dass …«
»Er weiß noch nichts davon.« Linda-Gail biss krachend in ihren Nacho. »Und ich fürchte, ich werde noch viel Zeit und Geduld brauchen, um einen echten Heiratskandidaten aus ihm zu machen. Aber ich bin gut im langfristigen Planen.«
»Aha. Das heißt also, du liebst ihn.«
Ihre hübschen Züge wurden ganz weich, und die Grübchen wurden tiefer. »Ich liebe ihn schon, seit ich denken kann. Na ja, seit ich zehn bin, und das ist lange her. Er liebt mich auch, aber seine Art damit umzugehen, besteht darin, Reißaus zu nehmen und jedes weibliche Wesen in seiner unmittelbaren Umgebung ins Bett zu kriegen, um nicht mehr über mich nachdenken zu müssen. Ich will, dass er sich erst mal gründlich austobt – aber seine Zeit ist bald abgelaufen.«
»Aha, verstehe. Das ist aber ein ziemlich außergewöhnlicher, großzügiger Plan, Linda-Gail.«
»Nun, in letzter Zeit wird er deutlich knausriger.«
»Er und ich … wir haben nie … falls es dich interessiert.«
»Ich weiß. Und selbst wenn, könnte ich dir das schwer vorwerfen. Juanita und ich, wir kommen auch gut miteinander aus, obwohl er sie vor einiger Zeit richtig zum Glühen gebracht hat. Aber wem war das nicht vergönnt?« Sie gluckste. »Aber falls er dich gevögelt hätte, würde ich dich wahrscheinlich nicht auf ein Bier einladen. Wir waren mal zusammen, Lo und ich, als wir sechzehn waren, aber damals waren wir einfach noch nicht so weit. Wer ist das schon, mit sechzehn?«
»Aber jetzt bist du’s.«
»Ja, jetzt schon. Er muss mich nur noch einholen. Brody war nie mit irgendjemandem aus Angel’s Fist zusammen, falls es dich interessiert. Angeblich soll er mal was mit irgendeiner Anwältin aus Jackson Hole gehabt haben, und es gab da ein paar One-Night-Stands mit Touristinnen, aber niemanden von hier.«
»Gut
Weitere Kostenlose Bücher