Verschlußsache Satan
einer Zwickmühle. Es geht um Leben und Tod.«
Nach dem letzten Satz entstand eine Pause. Das gab mir Gelegenheit, darüber nachzudenken. Ich nahm an, dass sich der Anrufer keinen Spaß erlaubte, denn die Stimme hatte sich schon echt angehört. Da war nichts gespielt, der Mann schien tatsächlich unter starkem Stress zu stehen.
Ich versuchte ihn zu beruhigen. »Wenn es um Leben und Tod geht, bin ich sicherlich nicht die richtige Adresse. Da sollten Sie den Notruf der Polizei wählen.«
»Nein, auf keinen Fall. Man hat mir gesagt, dass ich Sie anrufen soll, Mr. Sinclair.«
»Gut, das haben Sie jetzt getan.« Ich blieb gelassen. Es brachte nichts, wenn ich auch noch nervös reagierte. »Wollen Sie mir nicht Ihren Namen sagen?«
»Ich heiße Erwin Newton.«
»Sehr gut...«
Er ließ mich nicht ausreden und fügte etwas hinzu, das mich sofort hellhörig machte. »Ich bin Pfarrer. Man hat mich geschickt. Wenn Sie nicht zu mir kommen, wird meine Frau sterben, denn sie befindet sich in der Gewalt dieser Unperson.«
Ich knipste John Wayne in der Glotze das Licht ab und saß jetzt recht steif auf meinem Platz. »Ich denke, Mr. Newton, dass wir uns mal genauer unterhalten sollten.«
»Dazu fehlt mir die Zeit. Dann ist meine Frau tot. Er oder sie wird sie umbringen.«
»Er oder sie? Da müssen Sie sich schon entscheiden, Mr. Newton.«
»Mehr eine Sie.«
»Drei Minuten?«
»Wofür?«
»In denen Sie mir alles erzählen.«
»Ja, ist gut.«
Meine Worte schienen den Mann so weit beruhigt zu haben, dass er wieder einigermaßen normal sprechen konnte.
Bevor er ausführlicher redete, flüsterte er noch den Namen seiner Frau, die Doro hieß. Dann hörte ich eine Geschichte, die sich verdammt ernst anhörte. Die Verzweiflung, die Angst und die Sorge verschwanden nie aus der Stimme des Pfarrers, der zuletzt noch einen Satz in den Hörer schrie, der mir einen Schauer versetzte.
»Wenn Sie nicht so schnell wie möglich zu mir kommen, Mr. Sinclair, stirbt meine Frau. Sie ist neben dem Herrgott der einzige Trost in meinem Leben.«
»Wo ist das genau?«
»Östlich von Greenwich, aber wir gehören noch zum Ort.«
»Genauer.«
Es verging leider Zeit. Das lag nicht an mir, sondern an Erwin Newton, der mir erst noch eine genaue Wegbeschreibung geben musste. Zum Glück lag ein Zettelblock neben dem Telefon. Einen Stift hatte ich auch parat, und so konnte ich mitschreiben.
»Haben Sie alles verstanden, Mr. Sinclair?«
»Ja, das habe ich.«
»Dann kommen Sie so schnell wie möglich. Fliegen Sie. Machen Sie, was Sie wollen, aber bitte...«
»Eine Sache noch, Mr. Newton. Wo soll ich hinkommen? Wo treffen wir uns?«
»Auf keinen Fall in der Kirche.«
»Das hatte ich mir schon gedacht. Sie und Ihre Frau leben in der Nähe?«
»Ja, Sie können das Haus nicht verfehlen. Ich... ich... werde auch wohl draußen sein.«
»Ausgezeichnet. Warten Sie und unternehmen Sie nichts, was für Sie und Ihre Frau gefährlich werden könnte.«
»Ich werde mich bemühen, Sir. Gott stehe uns bei.«
»Genau das haben wir jetzt nötig.«
Mit diesem Satz beendete ich das Gespräch. Ich verfiel nicht in pure Hektik, aber ich beeilte mich. Zügig hatte ich meine Sachen zusammengeholt. Die Nächte waren noch kühl. Deshalb nahm ich auch die innen gefütterte Lederjacke mit.
Ich streifte sie über, als ich schon nebenan geklingelt hatte. Suko öffnete und schaute mich erstaunt an.
»Keine Fragen. Zieh dir was über und komm.«
Er stellte doch eine Frage. Da schlüpfte er schon in seine Schuhe. Shao schaute ihm ebenfalls zu. Auch sie sagte nichts. Sie wusste, dass es brannte.
»Geht es um die E-Mail?«, wollte Suko wissen, als er nach seiner Jacke griff.
»Das weiß ich nicht. Möglich ist alles. Ich erzähle dir unterwegs die Einzelheiten.«
»Wo müsst ihr denn hin?«, rief Shao.
Suko zuckte die Achseln. Er ließ die Tür offen, damit ich vom Flur her antworten konnte. »In die Nähe von Greenwich. Wir besuchen dort einen Pfarrer.«
Dann waren wir weg. Im Lift und auf der Fahrt in die Tiefgarage fragte mich Suko: »Habe ich richtig gehört vorhin? Du hast von einem Pfarrer gesprochen?«
»Ja.«
»Ausrede oder...«
»Nein, das oder. Und es geht ihm verdammt schlecht. Eine Sache auf Leben und Tod...«
***
Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem sich jeder Mensch in sein Schicksal fügt. Doro Newton erging es nicht anders. Zunächst hatte sie sich geschämt, bäuchlings vor dieser Gestalt auf dem kalten Steinboden zu liegen, dann aber, als
Weitere Kostenlose Bücher