Verschlußsache Satan
übersehen. Auch wenn er nicht sehr hoch war, überragte er die in seiner Nähe stehenden Bäume. Er war zudem dunkler als der Hintergrund.
Es gab nur das Licht der Rover-Scheinwerfer, ansonsten umgab uns die tiefe Dunkelheit der Nacht. Wir rollten über einen Weg, der einige Unebenheiten aufwies, dann mussten wir nach rechts in eine gassenähnliche Straße abbiegen, an deren Ende unser Ziel, die Kirche und auch das in der Nähe liegende Pfarrhaus, lag.
Ich hatte mit dem Pfarrer nicht abgemacht, wo wir uns treffen würden. Übersehen konnte er den ankommenden Wagen nicht, denn es gab keine weiteren Lichter als die des Rover.
Ich fuhr jetzt langsamer. Rechts und links bildete die Dunkelheit Schattenwände. Hohe Bäume erschienen manchmal wie bleiche Gespenster. Ihre Äste und Zweige sahen aus wie Krallen, die griffbereit über uns schwebten.
Der Mann war plötzlich da. Ich hatte nicht mal gesehen, von welcher Seite er gekommen war. Aber er stand leicht schwankend auf dem Weg und winkte mit beiden Armen.
Ich ließ den Rover ausrollen. Ohne mich umzudrehen, sprach ich Suko an.
»Wir sind da.«
»Gut.«
Der Pfarrer blieb vor der Kühlerhaube stehen. Das künstliche Licht der Scheinwerfer gab nicht unbedingt ein falsches Bild von ihm wieder. Er war tatsächlich so bleich. Er wirkte auch sehr erschöpft, aber er hielt sich tapfer.
Er war ein Mann um die vierzig. Dichtes Haar wuchs auf seinem Kopf, und es verteilte sich auch als dunkler Bart um Kinn und Mund. Er war recht groß, doch in dieser Situation wirkte er eingefallen, wie jemand, der alle Hoffnung verloren hat.
Ich stieg aus. Erwin Newton kam nicht auf mich zu. Er drehte mir nur den Kopf entgegen. Im Dunkeln wirkten wir beide wie Gespenster, die sich durch die Nacht bewegten. »John Sinclair?«, fragte er.
»Sicher. Ich bin so schnell wie möglich gekommen.«
Newton reichte mir die Hand. »Danke«, flüsterte er. Dann fühlte ich seinen feuchten Händedruck, als wäre die Handfläche mit Schmierseife eingerieben worden.
»Wie geht es Ihrer Frau?«
»Sie ist noch in der Kirche. Zusammen mit der anderen.« Er sprach jedes Wort sehr langsam, wie jemand, der in Trance ist.
»Wer ist es?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es auch jetzt nicht. Ich kenne sie nicht. Sie hat sich nicht zu erkennen gegeben. Für mich ist sie der Teufel in weiblicher Gestalt, der in die Kirche eingedrungen ist. Das ist alles so schrecklich. Es kam über mich wie ein Schwall eiskaltes Wasser. Ich habe... ich... konnte nur noch beten, ich weiß auch nicht, was sie von uns will.«
»Sie will mich.«
»Hätte sie das nicht einfacher haben können?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Bestimmt, Mr. Newton. Aber wer kann schon in sie hineinsehen? Wer kennt ihre Pläne? Ich nicht und Sie auch nicht. Es kann auch sein, dass sie uns ein Exempel vorführen will, um ihre Macht zu demonstrieren.«
Der Pfarrer schaute mich aus seinen traurigen Augen an. »Weshalb sind Sie gekommen? Was will man von Ihnen? Gibt es einen besonderen Grund, dass man Sie holte?«
»Ja, den gibt es, Mr. Newton, auch wenn ich ihn nicht kenne. Nur soviel. Ich beschäftige mich mit Fällen, die etwas außerhalb der Norm liegen. Ich habe mit Vorgängen zu tun, die oft unglaublich sind, wie Sie selbst erlebt haben. Dabei trete ich einer gewissen Gruppe von Kreaturen des Öfteren auf die Füße. Das ist nun mal so, und daran kann man nichts ändern. Ich habe mich auch im Laufe der Zeit daran gewöhnt, Mr. Newton.«
Er schaute ins Leere, als er wieder sprach. »Sie liegt auf dem Boden. Bäuchlings. Die andere steht neben ihr. Sie hat einen Fuß auf ihren Rücken gepresst. Es ist so verdammt demütigend, Mr. Sinclair. Ich habe es so empfunden. Es ist einfach grauenhaft. Ich bin nicht mehr in der Lage, klar und normal zu denken. Aber ich weiß, dass sie Doro töten wird, wenn wir uns nicht so verhalten, wie sie es will.«
»Gut, dann gehe ich jetzt in die Kirche.«
Er hielt mich fest. »Nicht allein. Ich gehe mit. Ich muss einfach mit, verstehen Sie?«
Das verstand ich. »Wenn sie nichts dagegen hat?«
»Ich glaube nicht. Es kommt ihr ja auf Sie an, und Sie sind dann bei mir.«
Es lag an ihm. Ich konnte hier die Regeln nicht neu erfinden. Bevor wir gingen, sah der Pfarrer über die Kühlerhaube hinweg durch die Frontscheibe in den Wagen hinein, um sich zu überzeugen, ob ich auch tatsächlich allein gekommen war.
Er sah Suko nicht und gab sich damit zufrieden.
Äußerlich wirkte ich sehr ruhig. Im Innern jedoch
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