Verschlußsache Satan
mehr Zeit verstrichen war und sie einsah, dass es ihr nicht gut tat, wenn sie sich innerlich verrückt machte, hatte sie sich damit abgefunden, die Verliererin zu sein. Und so blieb sie liegen, ohne sich zu bewegen. Sie wollte der Frau keinen Grund geben, sie noch mehr zu traktieren und den Druck des Fußes zu erhöhen.
Zu Beginn hatten sich deswegen Schmerzen in ihrem Rücken ausgebreitet. Doro hatte auch darunter gelitten. So lange, bis sie die Schmerzen nicht mehr gespürt hatte.
Hinzu kam die Qual der Seele!
Die Unbekannte hatte ihrem Mann alles vorgegeben. Doro glaubte auch fest daran, dass er sich an die Regeln halten würde. Nur fragte sie sich, ob dieser Fremde, der John Sinclair hieß, auch so reagieren würde.
Sie kannte den Mann nicht. Sie wusste nicht, in welch einem Verhältnis er zu dieser irren Frau war. Wobei sie den Begriff irre schon relativierte, denn diese Person wusste verdammt genau, was sie wollte. Sie war eiskalt. Sie war ein Monster. Ein Mensch und trotzdem eine Teufelin.
Tief durchatmen konnte Doro nicht. Der Druck auf ihrem Rücken war einfach zu stark. Sie holte nur begrenzt Luft, und auch das bereitete ihr Mühe. Irgendwann hoffte sie, dass die Person mal Erbarmen mit ihr zeigte, aber das würde noch dauern. Dieser Sinclair lebte in London. Bis Greenwich fuhr er fast eine Stunde, denn auch in der Nacht herrschte noch Verkehr.
Die andere Frau hatte kein Wort gesprochen, und für Doro wurde die Zeit fast zu einer Folter. Sie konnte nicht sagen, wie viele Minuten vergangen waren, sie merkte allerdings immer deutlicher, dass die Steifheit in ihrem Körper zunahm.
Urplötzlich war der Druck vorbei!
Doro Newton hatte schon selbst nicht mehr damit gerechnet. Zunächst fiel es ihr kaum auf, weil das Gefühl noch immer nachwirkte, dann sah sie neben sich den zweiten Fuß stehen und wusste endgültig, dass sie von der Qual erlöst war.
Sie hob den Kopf an.
»Runter!«
»Ja, ja, sofort!«
So heftig presste sie ihr Gesicht gegen den Boden, dass ihr die Nase wehtat.
Der Drang in ihr, etwas zu tun oder zu sagen, steigerte sich immer mehr. Sie konnte einfach nicht schweigen. Es musste aus ihr heraus, aber sie fing mit einer Frage an.
»Darf ich sprechen?«
»Wenn du willst!«
»Danke.«
Die Unbekannte lachte. »Wie klein die Gattin des Popen doch plötzlich geworden ist. Sie bedankt sich bei mir, obwohl sie mich am liebsten zur Hölle schicken würde.«
»Nein, nein!«, versicherte Doro, »das würde ich niemals tun.«
»Lüg doch nicht.«
»Auch wenn Sie noch so schlimm sind, Madam, ich habe es gelernt, ein Menschenleben zu achten. Und zwar das Leben eines jeden Menschen. Ob der Mensch nun ein Heiliger ist oder ein Mörder, da mache ich keine Unterschiede.«
»Oh, wie edel.«
»Das ist so.«
»Jeder ist eben anders, Doro. Ich bin sicher, dass du das noch in dieser Nacht erleben wirst.«
Doro Newton wusste, was mit dieser Antwort gemeint war. Es reichte, sie wollte nicht mehr nachfragen. Diese Person vor ihr, deren Gesicht sie nicht mal richtig gesehen hatte, war nicht nur eiskalt, sondern auch gnadenlos.
Nach einer Weile hob Doro den Kopf behutsam an und schielte in die Höhe. Sie sah noch immer die beiden Beine, aber sie sah auch den Lauf der Maschinenpistole, der schräg nach unten wies und auch ihren Körper in seinem Zielbereich behielt.
Über sich hörte Doro die Unbekannte atmen. Es lag keine Hektik in ihren Atemzügen. Alles war bei ihr so ruhig und konzentriert. Sie wusste genau, was sie tat, und das war das Schlimme. Sie ging keinen Schritt von ihrem Weg ab. Ein Geräusch änderte einiges. Das Kratzen aus dem Hintergrund. Das schnelle Heben der Waffe. Wieder der Druck auf Doro’s Rücken. Einen Moment später hörte sie die Stimme ihres Mannes.
»Bitte nicht schießen. Bitte nicht. Ich bin es nur!«
»Okay. Bleib dort an der Tür stehen. Was willst du?«
»Nur sagen, nur nachsehen, auch sagen...«
»Rede vernünftig, Pope.«
»Ich will nur sagen, dass alles in Ordnung ist. Ich habe mit diesem Sinclair gesprochen.«
»Wunderbar. Kommt er denn?«
»So schnell wie möglich.«
»Noch schöner. Und kommt er allein?«
Der Pfarrer rang nach Atem. Er kannte die Wahrheit nicht und erwiderte: »Ich habe es ihm gesagt. Ich habe ihn angefleht. Er hat wohl auch begriffen.«
»Das will ich ihm auch geraten haben«, lautete die kalte Antwort.
Der Pfarrer blieb noch vor der Tür stehen, und das gefiel der Unbekannten nicht. »He, was willst du noch. Geh zurück und warte
Weitere Kostenlose Bücher