Verschollen
hingelegt und ausgeruht, aber das piksende Stroh war ihm zu ungemütlich und so blieb er sitzen und wartete auf Martins Rückkehr.
Als der endlich kam, hatte Tristan schon jedes Zeitgefühl verloren. Nur sein fast schon quälender Hunger sagte ihm, dass einige Zeit vergangen sein musste. Zum Glück hatte Martin einen Teller dabei, auf dem einige Stücke Brot, Wurst und Käse lagen, über die sich Tristan sofort hermachte.
»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Eigentlich ist in letzter Zeit nicht mehr viel los. Seit der Bergbau aufgegeben wurde, ziehen immer mehr Familien von hier weg, aber irgendwer hatte wohl eine Feier und kam mit Besuchern von auswärts. Schmeckt es?«
Tristan nickte kauend.
»Am besten, ich erkläre dir ein paar Dinge, solange du isst«, schlug Martin vor. »Das Dorf hier heißt Tharlan und die Insel, auf der wir uns befinden, Nasgareth, das bedeutet Flammenland. Sie ist ziemlich groß, genau vermessen hat das nie einer, aber von einem Ende zum anderen brauchst du selbst mit einem Reittier viele Tage. Im Norden liegt der Kontinent Nuareth, da gehen die Paladine aber nicht hin, ich war auch nie dort.«
»Warum nicht?«
»Es heißt, die Kraft der Paladine wirkt nur in der Nähe des Portals. Auf der Insel hier wohl überall, aber auf dem Kontinent ist es dann vorbei.«
»Also sind die Paladine mit Sicherheit auf der Insel?« Martin nickte. »Und wann hast du zuletzt einen gesehen?«
Martin verzog sorgenvoll die Mine. »Das ist schon lange her. Eine ganze Gruppe von ihnen kam, aber sie sind hier nicht eingekehrt, sondern sofort weiter gezogen. Das ist komisch. Normalerweise kommen ständig Paladine an oder kehren von hier aus zur Erde zurück. Nur deshalb betreibe ich die Taverne überhaupt noch.«
»Aber was ist mit Jessicas Gruppe? Das kann doch noch nicht so lange her sein. Sie ist ja erst vor zwei oder drei Erdentagen herübergekommen.«
»Ich kenne Jessica, sie habe ich nicht gesehen. Vielleicht ist ihre Gruppe nachts gekommen, sodass ich sie nicht bemerkt habe.«
»Und du weißt nicht, wo sie alle hingegangen sind?«
Martin zuckte die Schultern. »Ich bin keiner von euch, sie sagen Hallo, erzählen Neuigkeiten von der Erde, aber mehr auch nicht. Und wie gesagt, die letzte Gruppe ist sofort weiter gezogen, ich hab sie nur durchs Fenster gesehen.«
Tristan seufzte. »Und was soll ich jetzt machen? Jessica hatte mir doch geschrieben, ich solle zu dir gehen. Ich hoffte, du hättest eine Nachricht.«
Martin kratzte sich an der Augenbraue. »Ich denke, du ruhst dich nun erstmal aus, und dann bringe ich dich morgen zu Meister Johann.«
»Wer ist das?«
»Er war früher der Anführer der Paladine und ist schon Jahrhunderte hier.«
»Jahrhunderte?« Tristan war verblüfft.
»Oh, wir Erdenmenschen altern hier nur sehr langsam. Johann muss an die 700 Jahre alt sein, oder sieh mich an, ich bin auch schon sechzig Jahre hier und eigentlich an die 90. Sieht man mir nicht an, oder?« Er grinste. »Johann sollte wissen, was die anderen Paladine vorhaben, denn auch wenn er nicht mehr herumreist und kämpft, ist er immer noch so etwas wie der oberste Rat und trifft die wichtigsten Entscheidungen mit Darius gemeinsam, soweit ich weiß. Außerdem kann er dir einiges beibringen, von dem ich keine Ahnung habe.«
»Wie weit ist es?«
»Anderthalb Tagesritte ungefähr.«
»Und deine Taverne?«
Martin zuckte die Schulter. »Ist ja nicht mehr viel los, die Besucher reisen morgen sowieso ab und ich hab auch noch einen Vertreter. Außerdem«, fügte er hinzu, »möchte ich auch wissen, was mit den Paladinen los ist.« Er stand auf. »Ruh dich aus, das wird ein anstrengender Ritt. Die Latrine ist am Ende des Flures, rechts. Gute Nacht.«
Im flackernden Licht der Kerze saß Tristan noch lange auf seinem Lager und brütete vor sich hin. Insgeheim hatte er gehofft, einen der Paladine hier zu treffen oder von Martin wenigstens zu erfahren, wo er sie suchen könnte. Aber vielleicht kann ich ja diesen Johann bitten, mit zurückzukommen und Svenja zu heilen, dachte Tristan hoffnungsvoll.
Bevor er sich hinlegte, suchte er die Latrine auf. Es war eine kleine Kammer mit einer Bank an der Wand. Die Bank hatte ein Loch, das mit einem Deckel zugedeckt war. Außerdem gab es zwei Eimer, einen mit trockenem Laub und einen mit Erde. Es stank ziemlich und Tristan sah zu, dass er so schnell wie möglich wieder in sein Zimmer kam. Dort breitete er die Tunika als Schutz vor dem piksenden Stroh aus und legte sich
Weitere Kostenlose Bücher