Verschollen
zurückkehren und Svenja retten. Mit dieser freudigen Erwartung konnte er seine Erschöpfung verdrängen.
Sie rasteten öfter als auf ihrem bisherigen Weg, denn Jessica wollte sichergehen, dass sie einen Kampf mit Ogern bestehen konnten, wenn sie am Gefängnis der Paladine anlangten. Als sie den Aufstieg endlich hinter sich hatten, kamen sie in so etwas wie eine Stadt. Vom Spiraltunnel führte ein großes Portal in einen breiten Gang, der nicht nur ordentlich behauen, sondern auch reich verziert war. Es war die Hauptstraße der Siedlung gewesen, erklärte Rani. Hier gab es viele ausgebaute Höhlen mit Fenstern, große Plätze, sogar an so etwas wie Tempeln kamen sie vorbei. All das hatten die Gnome dem Fels in jahrzehntelanger Steinmetzarbeit abgetrotzt, und auch wenn die Gruppe ein nahes Ziel vor Augen hatte, kamen sie nicht umhin, dieses Werk zu bestaunen.
Am anderen Ende der Hauptstraße war es mit der Herrlichkeit aber vorbei. Hier war gekämpft worden, vor langer Zeit. Skelette lagen herum, kleine von Gnomen und größere von Ogern und Wolfsmenschen. Während sie in einer leeren Wohnhöhle ihr Lager aufschlugen, fragte Tristan sich, wie lange Mardra hier im Verborgenen schon seinen Herrschaftsbereich ausgedehnt hatte, ohne dass es an der Oberfläche wahrgenommen worden war. Eine Frage, die nicht nur ihn beschäftigte.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Martin. »Diese Toten sind vor vielen Jahren gestorben, noch bevor ihr Gnome den Großteil der Unterwelt aufgegeben habt. Warum habt ihr damals nicht schon um Hilfe gebeten?«
»Wen? Paladine?« Rani schnaufte. »Wir nie vergessen. Sie gekommen, helfen Vanamiri gegen Gnome. Wir achten, aber Hilfe bitten, nie!« Sie unterstrich ihre Worte mit einem Schnaufen und dann erzählte sie ihre Geschichte.
Die Erzvorkommen unter der Erde von Nasgareth gingen schon lange zur Neige. Immer tiefer hatten die Gnome graben müssen, um noch ertragreiche Adern zu finden, und mehr und mehr von ihnen resignierten. Sie zogen zurück auf das Festland, obwohl die Aussicht auf eine Überfahrt über das offene Meer für sie ein Gräuel war. Vor allem viele junge Gnome gingen fort und so fehlte es an Nachwuchs und die ersten Siedlungen wurden verlassen. Andere wollten ihre Städte nicht aufgeben, an denen ihre Vorväter so lange gearbeitet hatten, aber dass immer weniger Gnome dort hausten, blieb den übrigen Bewohnern der Unterwelt nicht verborgen.
Die Überfälle durch Oger, die auf Beutezug in die Höhlen vordrangen, häuften sich und auch andere Wesen der Unterwelt sorgten für immer mehr Opfer unter den Gnomen. Schließlich befahl der Gnomenkaiser, dass das ganze verbliebene Volk sich in der Hauptstadt im Norden sammeln und die Tunnel zur restlichen Unterwelt versiegelt werden sollten.
Viele fügten sich dem kaiserlichen Befehl, andere begehrten auf und verlangten statt dessen Schutz für ihre Städte von ihm, um sie verteidigen zu können. Als der Kaiser dies verweigerte und mit der Versiegelung der Tunnel begonnen wurde, schlossen diese Gnome sich zusammen. Zwar mussten sie so einige Orte aufgeben, doch sie konnten immerhin ein paar der größeren und ältesten Städte halten. Die dadurch heimatlos gewordenen, die sich nicht in den Norden zurückziehen wollten, streiften in der Unterwelt umher, oft allein oder in kleinen Gruppen. Sie eilten herbei, wenn es zu einem Raubzug der Oger kam, die nun die verlassenen Höhlen und Tunnel ausbauten und zu einer ständigen Gefahr wurden.
Eines Tages wurde auch Ranis Stadt überfallen. Der Angriff kam überraschend und nach einem kurzen, verlustreichen Scharmützel blieb den klar unterlegenen Gnomen nur die Flucht. So wurde auch Rani eine der Heimatlosen und zog zwischen den halb verlassenen und zunehmend verfallenden Städten hin und her, stürzte sich voll Zorn und Rachedurst in jeden Kampf und erschlug mit vielen anderen manchen Oger. Im Norden hörte man die Geschichten von den tapfer weiter kämpfenden Gnomen und feierte sie als Helden, wenn einer von ihnen verletzt dorthin gebracht wurde. Aber Hilfe schickte man ihnen nicht und letztlich, vor vielen Jahren, wurden die letzten Siedlungen von den Ogern überrannt. Die Stadt, in der sie nun lagerten, war eine davon.
Rani war während dieses letzten Gefechts an der Oberfläche gewesen, auf dem Rückweg aus dem Norden, wo sie sich von Verletzungen erholt hatte. Obwohl sie nur knapp dem Tod entronnen war, wollte sie den Kampf nicht aufgeben, so aussichtslos er auch schien. Doch sie fand
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