Verschollen
ansahen, war sie vorausgegangen, um den anderen Tunnel zu erforschen. Nachdem klar war, dass wir wegen Jessica und dir eine Weile würden hier bleiben müssen, entschied sie, sich allein auf die Suche nach den Paladinen zu machen. Unser Proviant wird nämlich knapp, wir können uns keine Umwege mehr leisten.«
»Und wie lange ist sie schon weg?«
»Weiß nicht. Die Sonne hat sich schon eine Weile nicht mehr hier unten blicken lassen.« Martin grinste.
Natürlich, schalt sich Tristan, wie sollte man hier, in der Finsternis noch ein Zeitgefühl haben. Er blickte zu Tiana hinüber, die ihn anstrahlte, und erwog für einen Moment, sie auf das anzusprechen, was er mitgehört hatte, aber sein Magen machte mit einem vernehmlichen Knurren darauf aufmerksam, dass es erstmal Wichtigeres gab.
Während er noch beim Mahl aus Trockenobst und gummiartigem Pökelfleisch saß, kam Jessica aus ihrer Höhle. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, lächelte aber, als sie Tristan sah, und setzte sich zu ihm ans Feuer.
»Dein Blitz war ein ganz schöner Hammer«, meinte sie. »Doppelt stark?«
Tristan nickte. »Ich hätte nicht gedacht, dass mich das gleich umhaut.«
»Du warst ja nicht ganz fit, dazu der Schock mit den Spinnen, da war es dann wohl zu viel. Aber weniger und das Vieh hätte mich noch erwischt. Danke.«
Tristan sah unbehaglich zu dem größtenteils verschütteten Spinnenkadaver hinüber. »Und die gab es auch mal an der Oberfläche?«
»Ja, vor allem in den Wäldern. Aus jedem Baum konnte dir so ein Ding vor die Füße springen, habe ich gehört. Vielleicht waren die etwas kleiner, aber das war vor meiner Zeit. Die frühen Paladine haben sich da quasi als Kammerjäger betätigt«, grinste Martin.
»Die Gnome waren aber sehr grausam«, sinnierte Tristan nach einer kleinen Pause. »Mardra allein in dem Verlies und dann auch noch die Spinnen drumherum.«
»Grausam?«, schnaufte jemand hinter ihnen und sie alle fuhren herum. »Mardra grausam, wir vorsichtig!«
»Rani!«, rief Jessica aus.
»In ihrer vollen Schönheit«, murmelte Martin grinsend, denn die Gnomin stand nackt vor ihnen.
»Paladine gefunden«, verkündete die Gnomin, verschränkte die Arme vor ihren drei Brüsten und griente sehr selbstzufrieden.
15
Am liebsten wäre Tristan sofort aufgebrochen, aber Jessica blieb besonnen und holte zunächst die Karte hervor. »Zeig mir wo«, forderte sie.
Rani deutete auf eine der großen Hallen, in der sie ohnehin hatten suchen wollen, es wäre aber nicht die Nächste auf ihrer Route gewesen. Sie lag ein ganzes Stück höher und einige Meilen weiter östlich.
»Wie lange hast du von dort hierher gebraucht?«, wollte Jessica wissen.
»Einen Zyklus«, erwiderte die Gnomin. Tristan nahm an, dass sie damit einen Tag meinte. »Abkürzungen genommen, länger mit euch.«
»Verstehe. Wie viele Paladine sind es und gibt es Wachen?«
Rani berichtete, dass sie auf mehrere Ogerwachen gestoßen war. Außerdem hatte sie Gnome getroffen, die als Sklaven gehalten wurden. Die hatte Rani belauscht und so von den Paladinen und ihrem Gefängnis erfahren, wusste aber nicht, wie viele dort waren.
»Na schön«, meinte Jessica. »Aber wenn sie mehrere Wachen abstellen, werden es wohl einige sein. Und auf dem Weg dorthin? Sind viele Oger unterwegs?«
Rani nickte. »Versteckt mehrmals, vorsichtig sein.«
Jessica faltete die Karte. »Packt alles zusammen, wir brechen auf.«
In Windeseile waren alle abmarschbereit. Sie entzündeten die letzten beiden Fackeln, die ihnen noch geblieben waren und Rani führte sie. Sie folgten dem zweiten Tunnel, der aus der Halle heraus führte und eine Weile eben verlief, ehe er in einen Spiraltunnel mündete. Ihr Ziel befand sich zwei Ebenen weiter oben und so lag ein beschwerlicher Aufstieg vor ihnen.
Tristan merkte schon bald, dass er noch lange nicht wieder im Vollbesitz seiner Kräfte war, aber auch den anderen ging nach einigen Runden in der endlos scheinenden Spirale die Puste aus. Doch im Gegensatz zu ihnen war Tristan von einem Hochgefühl erfüllt. Für ihn ging es nicht nur darum, eine Mission zu erfüllen oder die Paladine zu retten. Er war nun nahe daran, endlich seinen Vater zu finden und damit auch das Ziel zu erreichen, dessentwegen er überhaupt in diese Welt gekommen war. Vor allem aber würde dann die bleischwere Verantwortung von ihm abfallen, die er nun schon so lange als Bürde mit sich herumtrug. Sein Vater würde sie zum Vulkan führen, mit ihm zur Erde
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