Verschollen
suchte die anderen für den Blitzzauber. Tiana zeigte sie ihm. Er spürte das vertraute Kribbeln in seinem Zeigefinger. Sie wichen durch den Durchgang bis in die Gefängnishalle zurück. »Bereit!«, rief Tiana.
Ohne zu zögern feuerte Jessica ihren Zauber ab, die Spinne vor ihr wurde zu Stein, während Jessica sich umwandte und zum Durchgang rannte. Aber die nachfolgenden Spinnen waren schnell und wollten ihre sicher geglaubte Beute nicht entkommen lassen. In Windeseile kletterten sie über ihre versteinerte Artgenossin und waren Jessica dicht auf den Fersen. »Jetzt!«, brüllte sie, als sie noch mitten im Durchgang war.
Tristan feuerte. Ein Blitz zuckte aus seinem Finger und schlug donnernd in die Decke des Durchgangs ein. Mehr und mehr Energie floss aus seinem entkräfteten Körper und der Fels barst. Mit einem Sprung rettete sich Jessica vor den ersten herabfallenden Brocken in die Halle, doch die Spinne hinter ihr ließ sich davon nicht aufhalten und setzte ihre Vorderbeine in die Halle, um sich die am Boden liegende Jessica zu schnappen, die sich nicht mehr rührte. Martin sprang vor um sie zu schützen, doch da brach der Blitz aus Tristans Hand ab und mit der letzten Energie explodierte die Felsendecke. Tosend donnerten die Felsmassen in den Durchgang und zermalmten den Leib der Spinne unter sich. Mardras Verlies war versiegelt.
Tristan wurde schwindlig und er verlor das Bewusstsein, noch ehe er auf dem Boden aufschlug.
Tristans Bewusstlosigkeit ging in einen tiefen, traumlosen Schlaf über, aus dem er manchmal heraufdämmerte, ohne die Oberfläche zum Wachsein zu durchbrechen. Doch er hörte seine Gefährten sprechen.
»Wie geht es ihnen?« Das war Martins Stimme.
»Sie sind beide noch sehr, sehr schwach«, hörte er Vinjala antworten. »Für mehr als niedere Heilzauber reichen unsere Kräfte nicht mehr. Sie brauchen viel Ruhe.«
Ein anderes Mal hörte Tristan einen der Brüder fragen: »Wo bleibt Rani nur?«
»Sie wird kommen, wenn sie etwas gefunden hat«, antwortete Martin überzeugt.
Als Tristan das erste Mal richtig erwachte, fühlte er sich wie erschlagen. Jeder Muskel tat ihm weh, er hatte furchtbare Kopfschmerzen, die wie die Wellen der Meeresbrandung über ihn kamen, und seine Kehle war ausgedörrt. Tiana gab ihm etwas zu trinken und schenkte ihm ein Lächeln, doch als er den Wasserschlauch absetzte und den Kopf wieder auf den Rucksack legte, der ihm als Kissen diente, dämmerte er schon wieder weg.
Als er das nächste Mal zu sich kam, fühlte er sich schon besser. Noch immer erschöpft, aber die Kopfschmerzen waren wenigstens weg. Er schlug die Augen auf und blickte sich um. Man hatte ihn in eine der Höhlen gelegt, die an die Gefängnishalle grenzten. Von dort drang schwaches, flackerndes Licht herein und er hörte jemanden schnarchen. Und er hörte Tiana und Vinjala sich unterhalten. Erst wollte er aufstehen und zu ihnen gehen, doch dann bemerkte er, dass sie über ihn sprachen, und blieb mit gespitzten Ohren liegen.
»Ich glaube, ich werde ihm sagen, warum wir nicht zusammen sein können«, sagte Tiana.
»Das darfst du nicht«, erwiderte Vinjala scharf. »Du weißt, was Meister Johann gesagt hat. Wenn wir seinen Vater nicht lebend finden, dann soll Tristan wenigstens …«
»Pssst!«, unterbracht Tiana. »Wer weiß, ob er nicht wach ist.«
Tristan verzog im Dunkeln den Mund. Dann sollte er wenigstens was? Und was hatten Meister Johann und sein Vater mit Tiana zu tun?
»Ich wecke Martin, das Geschnarche hält man ja nicht aus«, hörte er Tiana sagen.
Vinjala lachte. »Es ist ohnehin Zeit für seine Wache.«
Tristan wartete noch eine Weile ab. Das Schnarchen verstummte und Martin unterhielt sich mit den Mädchen. Schließlich stand Tristan auf, streckte die schmerzenden Glieder und trat aus seiner Höhle.
»Zurück von den Toten, Spinnenfreund?«, neckte Martin ihn grinsend.
Tristan schürzte die Lippen. »Geht es allen gut?«, fragte er in die Runde. Die drei saßen um ein Feuer, das aus Stroh und ein paar alten Fackeln bestand. Die Brüder und Jessica waren nicht zu sehen.
Martin deutete auf zwei weitere Wohnhöhlen. »Die Brüder schlafen dort, Jessica in der anderen Höhle. Alle sind wohlauf, Jessica ist auch schon fast wieder fit.«
»Hat die Spinne sie gebissen?«
»Nein, sie war nur völlig entkräftet, ein Wunder, dass sie nach dem letzten Zauber noch laufen konnte.«
»Und Rani?«
Martin hob die Schultern. »Sie ist noch nicht zurück. Als wir uns das Verlies
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