Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
begnügte sich auch dann meist mit Allgemeinplätzen. War er nur etwas seltsam? Oder hütete er ein Geheimnis?
Sie ging früh zu Bett, noch vor den anderen, und empfand das Gemurmel der Linakers und Clarkes so beruhigend, dass sie schon bald einschlief. Im Traum glaubte sie zu erkennen, wie Josh sich auf die Matratze neben ihr legte, so nahe, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte. Seine Hand suchte nach der ihren und berührte sie sanft, sie zog ihre Hand verdutzt zurück, ließ aber zu, dass er sie erneut berührte, und lächelte sogar dabei. Seine Hand fühlte sich gut an, sein Griff war behutsam und doch entschlossen, die Berührung eines Mannes, der genau wusste, was er wollte, und nicht mit ihr spielte. Sie seufzte glücklich. Und dabei sah sie gerade wie eine Landstreicherin aus.
Ob es an ihrem Traum oder ihrem festen Schlaf lag, wusste sie später nicht mehr zu sagen, doch auch Carol und die anderen Wanderer merkten nicht, wie einer von ihnen leise aufstand, in seine Winterkleidung schlüpfte und mit dem Backpack in der Hand zur Tür ging. Ruth seufzte leise, und Carol drehte sich stöhnend auf die andere Seite, als er die Tür öffnete, und ein Schwall kalter Luft in die Hütte zog, doch gleich darauf schloss er sie leise, und die wohlige Wärme kehrte zurück. »Hey! Was ist?«, rief Gary im Halbschlaf. Er stand auf, legte Holz nach und kehrte auf seine Matratze zurück, ohne zu merken, dass einer der Wanderer verschwunden war. Nur das Buch, in dem er so angestrengt gelesen hatte, lag noch neben seinem Nachtlager.
Auch am nächsten Morgen brauchte Julie viel zu lange, um zu erkennen, dass einer der Teilnehmer fehlte. Erst als sie einige Holzscheite in den Ofen geworfen und die Petroleumlampe auf dem Tisch entzündet hatte, sah sie die leere Matratze. »Scott Jacobsen!«, rief sie verwirrt. »Sind Sie hier irgendwo?«
Sie nahm die Lampe und blickte sich in der Hütte um, weckte Carol und die anderen mit dem Lichtschein, stellte die Lampe auf den Tisch zurück, blickte aus dem Fenster und wusste nicht mehr weiter. »Scott Jacobsen ist verschwunden! Spurlos! Er ist nicht mehr hier! Und das bei dem Sturm!«
Die anderen waren genauso erschrocken wie sie und blickten sich ebenfalls in der Hütte um. Chris hob sogar die Decken auf Jacobsens Matratze hoch, als hätte er sich darunter verstecken können. »Weg! Er ist weg! Und ich hab nichts gesehen. Wie kann man sich denn anziehen und aus der Hütte schleichen, ohne dass einer von uns das merkt? Verflucht, er lag direkt neben mir!«
Carol wollte sich aufsetzen, sank aber sofort wieder zurück. Sie verzog das Gesicht vor Schmerz. »Ich hab immer noch Bauchschmerzen. Ist wohl doch was Hartnäckiges. Eine Magen-Darm-Grippe oder so was.« Sie stemmte sich mühsam auf die Ellbogen und blickte Julie an. »Bringst du mir einen Tee?«
»Klar«, erwiderte Julie. »Bist du sicher, dass es kein Geschwür ist?«
»Das würde sich anders anfühlen.«
»Aber er kann doch nicht einfach verschwinden!«, verstand Josh die Welt nicht mehr. Er hatte tatsächlich auf der Matratze neben ihr geschlafen. »Ich meine … bei dem Sturm. So erfahren ist er nicht. Er ist weder ein Bergsteiger noch ein geübter Wanderer, das hat man doch gesehen. Der schafft es keine Meile weit.«
»Wir werden nach ihm suchen«, entschied Carol.
»Ich werde nach ihm suchen«, verbesserte sie Julie. »Weit kann er nicht sein. Wenn er nicht erfroren ist, ist er sicher irgendwo untergekrochen. Südlich der Schlucht soll es einige Höhlen geben. Ich sehe mich ein wenig um, und wenn ich ihn nicht finde, rufen wir Search & Rescue.« So hieß die Abteilung der Ranger, die nach vermissten Personen im Nationalpark suchte.
»Ich komme mit«, entschied Carol, »ich kenne die meisten Höhlen.«
Julie schüttelte entschieden den Kopf. »Du bleibst schön liegen und kurierst deine Magenschmerzen aus. Oder willst du irgendwo im Schnee zusammenbrechen? Ich bleibe höchstens bis Mittag weg, dann soll das Wetter besser werden, und Search & Rescue schickt einen oder zwei Hubschrauber her. Wenn sie Jacobsen gefunden haben und nach Hause fliegen, können sie uns gleich mitnehmen. Du lässt dich besser von einem Arzt durchchecken.«
»Wegen harmloser Bauchschmerzen?«
»Frag meinen Vater, der ist Chefarzt am Fairbanks Memorial Hospital. Wenn du ihn über Bauchschmerzen reden hörst, wird dir schlecht. Geh lieber auf Nummer sicher. Wenn du willst, sag ich meinem Vater Bescheid.« Trotz der ernsten Lage konnte
Weitere Kostenlose Bücher