Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
verletzt hätten. Man hätte Carol und sie dafür verantwortlich gemacht. Zumindest wäre es zu einer nervigen Verhandlung gekommen, die an Carols und ihrem Ruf gekratzt hätte. Ihre feste Anstellung als Rangerin wäre danach in weite Ferne gerückt.
Wieder diese trüben Gedanken, dabei hätte sie doch fröhlich sein sollen. So wie Josh, der immer noch am Fenster stand und ihr liebevoll zulächelte. Er kam dem Prinzen auf dem weißen Pferd, von dem sie manchmal träumte, schon verdächtig nahe. Ein gefühlvoller Mann, wie man sie nur ganz selten traf, schon gar nicht auf dem College, an dem Julie ihren Abschluss gemacht hatte. Dort hatte es keinen gegeben, der ihr Interesse geweckt hatte. Besonders schlimm fand sie den Eishockey-Captain. Ein selbstverliebter Typ, den fast alle Schülerinnen anhimmelten, weil er der Starspieler des Teams war. Julie hatte sich gewundert, als er versucht hatte, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Obwohl sie weder zu den Cheerleadern noch zu den It-Girls ihres Jahrgangs gehörte, wartete er nach ihren Kursen auf sie und begleitete sie nach Hause. Als er sie zum Abschlussball einlud und keines der beliebteren Mädchen, die ihn umschwärmten, danach fragte, fing sie an, ihn zu mögen. Vielleicht war er doch anders als die anderen, einer, der sich ernsthaft für sie interessierte und mit dem man reden konnte. Doch der Abschlussball wurde nicht so märchenhaft, wie sie es sich schon als kleines Mädchen erträumt hatte. Irgendwie wirkte er abgelenkt und kümmerte sich kaum um sie. Nach dem Ball hatte er auf einmal keine Zeit mehr und fand ständig eine Ausrede, wenn Julie sich mit ihm treffen wollte. Einige Tage später hatte sie ihn dann mit einem anderen Mädchen im Arm gesehen und sich ihren Teil gedacht.
An dem Abend auf dem verschneiten Jagdtrail, als sie Josh zum ersten Mal begegnet war, hatte er sie schmerzhaft an diesen miesen Typen erinnert. Josh war nicht so laut wie die Clarke-Brüder, hatte aber die gleiche große Klappe, ohne die wohl kein Mann auskommen konnte. Wenn man sie nicht für die Schönsten und Besten hielt, waren sie eingeschnappt, und wenn beim Iditarod eine Frau vor ihnen ins Ziel ging, wie es schon oft passiert war, mussten sie sich schwer zusammenreißen, um vor den Fernsehkameras nicht auszurasten. Wenn sie nur kapieren würden, dass man nicht unbedingt der Schönste und Beste sein musste, um einer Frau zu gefallen. Wo war er denn gelandet, das Eishockey-Ass? Weder in der National Hockey League noch bei einem anderen Top-Team. In der Werkstatt seines Vaters arbeitete er, und der Blaumann stand ihm wesentlich schlechter als die modischen Jeans, die er auf dem College getragen hatte. Keine der Cheerleader drehte sich mehr nach ihm um.
Julie setzte sich auf die Matratze neben Carol und trank von ihrem Tee. Die Linakers und die Clarke-Zwillinge saßen am Tisch und unterhielten sich angeregter, als man es am Morgen für möglich gehalten hätte. »Sie waren kalifornische Meisterin?«, fragte Gary, und Ruth antwortete: »Zwei Mal sogar, und wenn ich nicht gestürzt wäre, hätte es vielleicht sogar zur US -Meisterschaft und den Olympischen Spielen gereicht. Leider war ich genauso leichtsinnig wie Sie. Hab mich kopfüber in die Tore gestürzt, obwohl die Piste stark vereist war, und flog schon beim sechsten Tor aus der Bahn. Gebrochener Knöchel. Jetzt fahre ich nur noch zum Spaß.« Gary hatte wohl eine bissige Bemerkung auf Lager, wurde aber von seinem Bruder gestoppt: »Und Snowboarden? Können Sie das auch?« Ruth schien zu wissen, wie man mit geltungssüchtigen jungen Männern umging. »Haben Mike und ich ein paar Mal versucht, aber besonders gut waren wir nicht. Vielleicht bringen Sie’s uns bei. Rufen Sie uns an, wenn Sie in der Gegend sind.« Sie kramte ihren Geldbeutel aus dem Anorak, zog eine Visitenkarte heraus und reichte sie ihm.
Scott Jacobsen saß etwas abseits auf seiner Matratze und las im Schein einer Kerze, die er in einer Schublade gefunden hatte, in einem zerfledderten Buch. Es musste spannend sein, denn er blickte nicht einmal auf und schien vollkommen versunken in seine Lektüre. Besonders gesellig war er nicht, der Werbefachmann aus Chicago, obwohl er doch gerade in seiner Branche viel mit Menschen zu tun hatte. Es sei denn, er gehörte zu den Kreativen, die den ganzen Tag im stillen Kämmerlein saßen und an einem neuen Logo oder Slogan bastelten. Er unterhielt sich kaum mit den anderen Wanderern, sprach nur, wenn er gefragt wurde, und
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