Verschollen im Taunus
Der frühe Vogel kann mich mal – der Wurm allemal.
Und dann wurde das Frühstück gereicht. Im Normalfall wäre eine vierköpfige Familie davon sattgeworden. Doch was war schon normal? Der quirlige Herr Schweitzer jedenfalls vertilgte alles alleine.
Das hatte zur Folge, daß sein Blut vom Kopf in den Magen rauschte und seine innere Stimme von einem Schläfchen säuselte. Wie fast immer stieß die wohlbekannte Stimme bei Herrn Schweitzer nicht auf taube Ohren.
Verabredungsgemäß hatte sich die Bande am Schweizer Platz, Ausgang U-Bahnstation, direkt vor der Apotheke getroffen. Man trug Freizeitklamotten. Weizenwetter hatte nagelneue erdbeerrote Turnschuhe an, weswegen seine Freundin Karin einen ebenso erdbeerroten Kopf bekam, als sie von Maria gefragt wurde, warum ihr Freund neuerdings als Kleinkinderschreck durch die Gegend hüpfe. Summa summarum sah es aus, als sei man zu einem Ausflug verabredet. Eventuell zu einem Sängerwettstreit oder dem Besuch einer Fischstäbchenfarm.
„Wer fehlt denn noch?“ fragte Maria, die als einzige der Sache eine gewisse Bedeutung beimaß. Für die anderen stand es außer Frage, daß Herr Schweitzer noch lebte, sich irgendwo die Sonne auf den Bauch scheinen ließ und das pralle Leben genoß. Man ließ quasi die Kindertage wieder aufleben, als Nachlaufen und Versteckspiel das Leben bestimmte und der Gameboy noch nicht erfunden war.
„Endlich passiert mal was im Leben“, freute sich Weizenwetter, ohne auf Marias Frage einzugehen.
In dem Augenblick kam auch der Ebbelweikellner Buddha Semmler um die Ecke. „Fragt nicht, fragt nicht“, bat er und fügte auch sogleich die Erklärung hinzu, warum er dergestalt beschissen und übernächtigt aussah, „war spät gestern, furchtbar spät. Ja, wenn man’s genau nimmt, wird’s sogar immer später.“ Denn noch hatte er nämlich sein Bett nicht gesehen. Ein Augenschmaus war sein Anblick mitnichten.
„Jetzt warten wir nur noch auf den Ferdi“, stellte Maria fest.
Und als würde ein Film gedreht werden, kam das elfenbeinfarbene Taxi von Ferdi S. direkt vor ihren Füßen zum Stehen. „Alles einsteigen! Einmal Taunus und zurück.“ Auch der Taxler hatte offenbar prima Laune.
Bei ihrer Abfahrt flammte die Sonne über Sachsenhausen.
Pech, daß ausgerechnet heute der Auspuff seinen Geist aufgab und sich im Bodenblech verkeilte. Das war keine böse Absicht, er war einfach nur durchgerostet. Passiert war es am Messeturm, zum Glück noch vor der Autobahnauffahrt. Da sonntags aber nur wenige Kollegen unterwegs waren, dauerte es über eine Stunde, bis sich jemand bereit erklärte, Ferdis Taxi abzuschleppen.
Daraufhin sagte Buddha Semmler, das sei ein Wink des Himmels, er gehe jetzt schlafen, alles in allem sei es sowieso bloß eine Schnapsidee gewesen.
Terroristen gibt es auf der ganzen Welt. Meist sitzen sie an den Schalthebeln der Macht und haben sich sowohl euphemistische als auch irreführende Bezeichnungen wie Finanzminister, Oberkommandeur oder Staatspräsident zugelegt. In der Regel sind sie sehr zufrieden mit sich, der Welt und den Pfründen, die sie einstreichen. Es hat aber auch unzufriedene Terroristen. Für sie sind die Schalthebel außer Reichweite. Das wollen sie natürlich ändern, denn wer ist schon zufrieden, wenn er unzufrieden ist? Also wollen auch sie an die Schalthebel. Das aber ist gar sehr schwierig, denn so ein Hebel ist nur von einer begrenzten Personenzahl zu bedienen, und die, die gerade dran sind, wollen so lange als irgend möglich die Fäden in der Hand halten. Und außerdem wären ja auch Pfründe, wenn man sie durch zu viele Leute teilte, keine Pfründe mehr, sondern nur noch so erbärmlich wie ein durchschnittlicher Arbeiterlohn. Davon kann doch keine Sau leben. Was tut also der unzufriedene Terrorist, wenn er nicht auf den Kopf gefallen ist? Ja natürlich, er zettelt eine Revolution an. Dazu brauch er Mitstreiter, was aber so schwierig nicht ist, denn viele Leute müssen von kargen Löhnen ihre Familien durch harte Zeiten bringen und sind sehr schnell Feuer und Flamme für irgendwelche propagierten Umwälzungen. Und wenn der gewiefte Terrorist auf seinem Weg zur Macht dann auch noch Demokratie und Gerechtigkeit fordert, weiß er schnell die Massen hinter sich. Weil aber Revolutionen nicht von heute auf morgen über die Bühne gehen, hat er viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, welche seiner Gefolgsleute er sich an welche Hebel wünscht. Hier muß er nun sehr aufpassen, er hat nämlich heimlich
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