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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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dergestalt abrupt, daß der Campingstuhl nach hinten kippte. „Ich muß los. Viel Arbeit wartet auf mich. Und danke für den gelungenen Abend. Ich werde mich revanchieren, wenn erledigt ist, was zu erledigen ist.“
    „Du gehst schreiben?“
    „Nicht nur das, mein Lieber, nicht nur das. Ich werde auch die Frankfurter Tageszeitungen informieren. Und die Fan-Clubs. Die vor allem. Und dann wirst du erleben, was ein echter Orkan ist. Der wird nämlich die nächsten Tage über Frankfurt hinwegfegen.“
    „Muß ich Sandsäcke um meine Gartenhütte türmen?“
    „Ich an deiner Stelle würde sofort damit anfangen. Und vergiß nicht, Türen und Fenster zu vernageln.“
    „Mach ich, Alter.“
    Roland Stipp drehte sich nicht mehr um. Er hatte eine Mission.
    Und das mit dem Orkan war in der Tat kein Witz, wie sich alsbald herausstellen sollte.
    Herr Schweitzer stand in einem blauweißkarierten Bademantel vor dem Fenster und sah einer Kuh beim Grasen zu. Sie versuchte erfolglos, die Büschel auf der anderen Seite der Umzäunung mit ihrem Maul zu erreichen. Jaja, dachte er versonnen, so ist das immer, stets scheint das Unerreichbare erstrebenswerter zu sein als das, was man gerade hat. Der Mensch ist da nicht anders. Der Detektiv wollte auch nicht hier sein und sehnte sich nach seiner Maria. Ersatzweise umarmte er sich selbst und strich zärtlich über die Ärmel des Bademantels. Als ihm die Belastung seines gesunden Fußes zuviel wurde, ließ er sich mit einem melodramatischen Seufzer auf der Bettkante nieder. Von hier aus sah er nur noch die obere Hälfte eines in Blüte stehenden Strauchs, etwa zehn Meter vom Haus entfernt. Es war so windstill, daß sich kein Blatt bewegte. Die vom Fensterrahmen begrenzte Natur hätte auch als mit feinem Pinselstrich fixiertes Ölgemälde durchgehen können. Auf eine etwas melancholische Art fühlte sich Herr Schweitzer wie neugeboren. Ein wohliges Erzittern durchströmte seinen Körper.
    Die alte Frau betrat die Stube. „Hier ich habe Schuhwerk für Sie. Müssen passen, sind sehr groß.“ Sie hielt ihm ein paar klobige gelbe Pantinen hin, wie man sie von der Käsewerbung aus Holland her kannte. An den Seiten waren sie mit hellblauen und blaßroten Blümchen ohne Stiel verziert. An einigen Stellen war bereits die Farbe abgeblättert und die schräg nach außen abgetragenen Absätze zeugten davon, daß sie einst in Gebrauch waren.
    „Danke“, sagte Herr Schweitzer, nachdem seine erste Überraschung verflogen war. Er fühlte sich genötigt, sofort hineinzuschlüpfen. „Passen genau.“
    „Ich gefunden auf Spätmüll.“
    Sperrmüll, dachte der Detektiv, beließ es aber dabei. Doch als er den ersten Schritt getan, schrie er auf: „Au!“ Das statische Fußbett drückte genau auf seine Verletzung. Begleitet von einem Zischlaut setzte er sich wieder hin.
    „Oh, Sie noch immer Schmerzen“, sagte die alte Frau Lakomy und bedeckte ihren Mund mit der Hand. „Sie bitte warten hier. Ich komme gleich wieder. Sie nicht bewegen sich!“
    Diese Aufforderung war wie maßgeschneidert für Herrn Schweitzer. Wenn er etwas aus dem Effeff beherrschte, dann das Sich-nicht-Bewegen. Schon oft hatte er über die Ungerechtigkeit der Natur gegrübelt. Warum bloß haben immerfort nur diejenigen einen Traumkörper, die wie blöd ins Sportstudio rennen und sich hauptsächlich von Obst und Gemüse ernähren? Ein Steak mit Bratkartoffeln schmeckt doch viel besser. Wäre er Gott, würde er die Natur total umkrempeln – Chips und Schokolade stählten die Muskeln und ein gemütlicher Fernsehabend auf der Couch würde für eine schmale Taille und einen knackigen Po sorgen. Leider war es genau umgekehrt. Gott ist halt ein Sadist. Und Wattwandern in der Halle war die einzige Sportart, die sich unser Herr Schweitzer so ohne weiteres hätte vorstellen können.
    Mit hochrot erhitztem Gesicht und einem Krückstock kehrte die Alte zurück. „Hier. Damit gehen besser.“ Sie strahlte den Detektiv an. „Auch von Spätmüll“, erklärte sie und überreichte ihm die Gehhilfe.
    „Danke. Vielen herzlichen Dank.“ Er lief zur Probe ein paar Schritte mit dem Stock. Zwar wurde damit sein malader Fuß nicht gänzlich entlastet, aber es funktionierte zumindest so weit, daß er sich langsam fortbewegen konnte.
    Vor der Tür, neben einer grünen Plastikgießkanne, hockte Pepsi, Herrn Schweitzers Wegbegleiterin der unmittelbaren Vergangenheit, und schlabberte Milch aus einem verbeulten Blechnapf. Als sie ihn sah, hielt sie inne

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