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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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Nachrichtenkanäle versorgte. Dann warteten wir weiter, bis die Kandidaten für die Jury, deren Anzahl größer als üblich war, sich versammelt hatten. Jonathan gab alles, was er erfuhr, an uns weiter und vertiefte sich dann in aller Ruhe in seine New York Times .
    Vor dem Gerichtssaal blätterte Mary McQuade, die Mitarbeiterin von Richter French, in einigen Dokumenten herum, dann war sie endlich zufrieden und blickte mit verschränkten Armen in den Saal. Ich habe mich mit Mary immer gut verstanden, ich legte Wert darauf. Die Angestellten des Gerichts waren der direkte Draht zu den Richtern und deshalb einflussreich. Mary schien das mit ihrer Position verbundene Prestige und die Nähe zur Macht besonders zu genießen. Und man muss sagen, sie machte ihren Job gut und war eine geschickte Vermittlerin zwischen dem polternden Richter und den Anwälten, die alle um Vorteile buhlten. Das Wort »Bürokrat« hat einen negativen Beigeschmack, aber wir brauchen Bürokraten, denn sie halten das System am Laufen. Mary machte kein Hehl daraus, dass sie ihre Stellung genoss: Im Gegensatz zu den grauen Mäusen in den anderen Gerichtssälen trug sie eine teure, modische Brille und gut geschnittene Kostüme.
    Auf einem Stuhl weiter hinten im Flur saß ein unglaublich dicker Mann namens Ernie Zinelli. Er war etwas über sechzig Jahre alt und etwas über dreihundert Pfund schwer. Sollte es wirklich einmal zu einem Zwischenfall im Gerichtssaal kommen, dann würde er wahrscheinlich einen Herzinfarkt erleiden. Seine Anwesenheit als linke Hand des Richters war, ebenso wie der Richterhammer, rein symbolisch. Aber ich mochte Ernie. Über die Jahre fasste er immer mehr Vertrauen zu mir und verriet mir seine Einschätzung der Angeklagten, die meist sehr negativ ausfiel, und ließ sich auch über die Richter und Anwälte aus, und da war sein Urteil kaum milder.
    Die beiden ehemaligen Kollegen beachteten mich an jenem Morgen kaum. Mary schaute hin und wieder in meine Richtung, tat aber so, als würde sie mich nicht kennen. Ernie riskierte ein dünnes Grinsen. Anscheinend hatten sie Angst, dass man denken könnte, ihre Freundlichkeit gelte Jacob, der neben mir saß. Vielleicht waren sie auch angewiesen worden, mich zu ignorieren. Wahrscheinlich dachten sie auch einfach, dass ich jetzt zur Gegenseite gehörte.
    Als kurz vor zehn der Richter endlich die Sitzung eröffnete, waren wir steif von der ganzen Warterei.
    Während Ernie wie üblich die Eröffnungsworte sprach – »Das Gericht eröffnet die Sitzung« – hatten sich alle erhoben. Jacob hampelte bis zum Ende herum. »Alle, die etwas zu sagen haben, mögen zur Anhörung vortreten.« Laurie und ich legten unsere Hände auf Jacobs Rücken, um ihn zu beruhigen.
    Der Fall wurde aufgerufen, und Jonathan bedeutete Jacob, ihm zu folgen. Sie nahmen vor der Richterbank auf der Seite der Verteidigung Platz. Genauso würde das in den folgenden zwei Wochen an jedem Morgen sein.
    Und Laurie würde reglos in der vordersten Zuschauerreihe sitzen, Stunde um Stunde und Tag für Tag auf Jacobs Hinterkopf starren, und das würde ihr Blick auf das Gerichtsverfahren sein. Sie wirkte sehr blass und dünn in der Menge, so als ob Jacobs Fall eine Krankheit wäre, die sie auszuhalten hatte. Doch obwohl sie sichtbar alterte, sah ich in Laurie immer noch ihr früheres Selbst, jenen Teenager mit dem hübschen, vollen, herzförmigen Gesicht. Es muss ein Zeichen inniger Liebe sein, wenn die Erinnerungen an das siebzehnjährige Mädchen ebenso lebhaft und real sind wie der Anblick derselben Frau in ihrer Lebensmitte. Es ist eine Art Doppelvision, man sieht und erinnert sich gleichzeitig. Ich kannte Laurie wie kein anderer Mensch.
    Für Laurie war es grauenvoll. Als Eltern von minderjährigen Angeklagten hat man bei Verfahren besondere Qualen auszustehen. Wir sollen anwesend sein, müssen aber den Mund halten. Wir sind gleichzeitig Opfer und Täter. Wir werden bemitleidet, denn wir haben ja nichts verbrochen. Wir haben als Vater und Mutter einfach Pech gehabt und beim Kinderkriegen das falsche Los gezogen und einen Verbrecher in die Welt gebracht. Ei und Sperma = Mörder oder so ähnlich. Dagegen konnte man nichts machen. Gleichzeitig wurden wir verachtet: Irgendjemand musste doch für Jacobs Wesen verantwortlich sein. Wir hatten ihn schließlich großgezogen, irgendetwas mussten wir falsch gemacht haben. Nicht genug damit, wir standen diesem Killer sogar zur Seite und hofften auf seinen Freispruch. Und das bestätigte im

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