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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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Nacht vor dem Gerichtstermin, einem Dienstag, war die Luft ungewöhnlich warm, schwül und unruhig. Ich wachte mitten in der Nacht auf und fühlte, dass etwas nicht ganz richtig war, so wie immer, wenn Laurie nicht schlafen konnte.
    Sie lag auf der Seite, hatte ihren Ellenbogen aufgestützt und den Kopf in die Hand gelegt.
    »Was ist los?«, flüsterte ich.
    »Hör doch.«
    »Was?«
    »Sei still, hör einfach hin.«
    Draußen waren die Geräusche der Nacht.
    Dann ein lautes Gekrächze. Es begann wie der leise Klagelaut eines Tieres und steigerte sich bald zu einem ohrenbetäubenden grellen Schrei, wie das Bremsgeräusch eines Zuges.
    »Was ist das, um Gottes willen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht eine Katze oder ein Vogel, die gerade umgebracht werden.«
    »Wer sollte sie umbringen?«
    »Ein Fuchs oder ein Kojote. Oder ein Waschbär.«
    »Wir leben doch hier nicht im Wald. Das hier ist Stadtgebiet! Ich habe immer hier gelebt, und wir hatten noch nie Füchse, Kojoten oder Waschbären. Und diese riesigen wilden Truthähne, die plötzlich im Garten auftauchen? Die waren vorher auch nie da.«
    »Alles verändert sich. Die Stadt dehnt sich immer weiter aus, die natürlichen Lebensräume verschwinden, und die Tiere tauchen dann zwischen den Häusern auf.«
    »Hör doch einfach mal, Andy. Ich weiß nicht einmal, woher das kommt oder wie entfernt es ist. Es hört sich an, als ob es gleich vor dem Haus wäre. Es muss eine Nachbarskatze sein.«
    Wir lauschten. Wieder kam dieser Schrei, und dieses Mal hörte es sich definitiv an wie das Schreien einer sterbenden Katze. Erst ein Miauen und dann wilde, hohe Töne der Angst.
    »Warum zieht sich das so lange hin?«
    »Vielleicht spielt das Tier mit seiner Beute. Wie die Katzen, wenn sie Mäuse jagen.«
    »Das ist furchtbar.«
    »Das ist die Natur.«
    »Diese Grausamkeit? Es ist Natur, wenn das Opfer vor seinem Tod gequält wird? Was hat Grausamkeit evolutionär für einen Sinn?«
    »Ich habe keine Ahnung, Laurie. Es ist einfach so. Aber für das Tier, das die Katze angegriffen hat - irgendein hungriger Kojote oder ein streunender Hund –, ist das die letzte Rettung. Es findet hier bestimmt nicht leicht was zum Fressen.«
    »Wenn es die letzte Rettung ist, dann soll es töten und fressen und fertig.«
    »Lass uns versuchen zu schlafen. Morgen ist ein schwerer Tag.«
    »Wie soll ich bei diesem Lärm schlafen?«
    »Möchtest du eine von meinen Schlaftabletten?«
    »Nein. Dann bin ich am nächsten Morgen fix und fertig, und morgen will ich wach sein. Ich verstehe nicht, wie du die einnehmen kannst.«
    »Ich ess die wie Bonbons, bei mir haben sie keine große Wirkung.«
    »Ich brauche keine Tabletten, ich will, dass das da draußen aufhört, Andy.«
    »Komm, leg dich hin.«
    Sie legte ihren Kopf aufs Kissen. Ich schmiegte mich an sie.
    »Du bist einfach nervös, das ist völlig verständlich, Laurie.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das durchstehe. Ich habe nicht die Kraft dazu, glaube ich.«
    »Wir stehen das gemeinsam durch.«
    »Für dich ist es einfacher. Du kennst das alles schon. Und du bist keine Mutter. Ich will nicht behaupten, dass es für dich leicht ist, aber für mich ist es noch einmal anders. Ich schaff das nicht. Ich werde das nicht durchstehen.«
    »Ich wünschte, ich könnte für dich alles einfach verschwinden lassen, Laurie. Aber ich kann es nicht.«
    »Nein. Aber dass du hier bist, hilft schon. Wir liegen einfach nur so da. Das muss doch bald aufhören da draußen.«
    Das Schreien ging noch ungefähr eine Viertelstunde weiter. Danach tat keiner von uns beiden mehr richtig ein Auge zu.
    Als wir am folgenden Morgen um acht Uhr aus dem Haus traten, stand dort bereits ein Nachrichtenwagen. Ein Kameramann verfolgte uns bis zum Auto. Sein Gesicht war hinter der Kamera versteckt, oder besser, die Kamera war sein Gesicht, wie das eines Insekts.
    Vor dem Gerichtsgebäude in Cambridge gingen wir auf den Haupteingang an der Thorndike Street zu, der bereits von Journalisten umlagert war. Als wir die Straße hinaufkamen, schoben sie sich auf uns zu: Man schwenkte Kameras, um ein gutes Bild zu erhalten, und hielt uns Mikrofone vor die Nase. Nachdem wir das bei der Anklageverlesung alles schon einmal erlebt hatten, war es diesmal einfacher zu ertragen. Jacobs Anwesenheit sorgte für Aufregung, aber ich war trotzdem froh, dass er dieses Spießrutenlaufen hinter sich bringen musste. Nach meiner Theorie war es für einen Angeklagten immer besser, wenn er auf Kaution freikam, als in

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