Verschwiegen: Thriller (German Edition)
mit einem gutmütigen Lächeln antworteten, und trottete dann durch die Polizeiabsperrung hindurch zu den anderen Schülern, die auf dem Weg zum Eingang waren.
Als er uns verlassen hatte, fiel von allen die falsche Fröhlichkeit ab, Beklemmung machte sich breit. Sogar bei Toby. »Hat sich jemand um Dan und Joan Rifkin gekümmert?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Laurie.
»Das sollten wir tun. Nein, das müssen wir.«
»Diese armen Leute. Unvorstellbar.«
»Uns allen fehlen die Worte, nehme ich an.« Das kam von Susan Frank, der einzigen Frau in der Gruppe in Berufskleidung, in dem für Anwältinnen typischen grauen Wollkostüm. »Was soll man auch sagen? Was um Himmels willen kann man jemandem nach einem derartigen Schlag sagen? Das ist zu niederschmetternd.«
»Nichts«, pflichtete Laurie bei. »Mit Worten kann man nichts lindern. Aber es spielt auch keine Rolle, was man sagt, es ist wichtig, dass man sich um sie kümmert.«
»Sie sollen nur wissen, dass man an sie denkt«, wiederholte Toby in anderen Worten. »Das ist alles, was man tun kann, sie wissen lassen, dass man an sie denkt.«
Zuletzt meldete sich Wendy Seligman zu Wort und fragte mich: »Was meinen Sie, Andy? Sie beschäftigen sich doch die ganze Zeit mit derartigen Dingen. Sie reden doch nach solchen Ereignissen mit den Angehörigen.«
»Meistens sage ich gar nichts. Ich halte mich an den Fall, alles andere lasse ich außen vor. Denn da kann ich nicht viel ausrichten.«
Wendy nickte enttäuscht. Sie hielt mich für einen Langweiler, für einen dieser Ehemänner, die man eben in Kauf nehmen muss, als die schlechtere Hälfte des Paars sozusagen. Laurie hingegen lag sie zu Füßen. Sie schien in jeder der drei unterschiedlichen Rollen, welche diese Frauen zu erfüllen hatten – als Ehefrau, als Mutter und nicht zuletzt als sie selbst – zu glänzen. Und wenn Laurie mich anziehend fand, dann musste ich versteckte Qualitäten haben, die ich nicht offenbaren wollte, dachte Wendy. Vielleicht weil ich sie langweilig und der Mühe einer richtigen Unterhaltung nicht wert fand. Wendy war geschieden, sie war die einzige Geschiedene oder Single in diesem Grüppchen und nahm nur allzu leicht an, dass andere Fehler an ihr suchten.
Toby versuchte die Stimmung aufzulockern. »Die ganzen Jahre über haben wir versucht, unsere Kinder von Spielzeugwaffen, Gewaltsendungen im Fernsehen und Gewaltvideos fernzuhalten. Bob und ich haben den Kindern nicht einmal Wasserpistolen erlaubt, wenn sie nicht aussahen wie etwas völlig anderes. Und dann haben wir sie auch nicht Pistolen genannt, sondern Wasserspritzen oder so ähnlich, so als ob die Kinder keine Ahnung hätten. Und jetzt das. Es ist …« In komischer Verzweiflung hob sie die Hände.
Doch der Witz kam nicht an.
»Die reine Ironie«, stimmte Wendy düster zu, damit Toby nicht meinte, man hätte ihr nicht zugehört.
»Stimmt genau«, seufzte Susan, ebenfalls um Toby einen Gefallen zu tun.
»Ich glaube, wir überschätzen unseren Einfluss als Eltern«, meinte Laurie. »Dein Kind ist so, wie es ist. Du musst nehmen, was du bekommst.«
»Dann hätte ich den Kindern diese blöden Wasserpistolen in die Hand drücken sollen?«
»Vermutlich. Ich weiß nicht. Was Jacob angeht … Ich frage mich manchmal, ob all die Dinge, die wir mit ihm angestellt haben, alle unsere Bedenken am Ende wirklich so viel bewirkt haben. Er war immer schon so, wie er jetzt ist, nur in einer kleineren Ausgabe. Das ist mit allen unseren Kindern so. Keines von ihnen ist völlig anders als zu der Zeit, als es noch ganz klein war.«
»Schon, aber unsere Erziehungsmethoden haben sich auch nicht geändert. Vielleicht bringen wir ihnen einfach immer noch die gleichen Dinge bei.«
Und Wendy darauf: »Ich habe keine bestimmte Methode bei der Erziehung. Ich entscheide aus dem Bauch heraus.«
Susan: »Ich auch. Das machen wir doch alle so. Alle außer Laurie. Du hast wahrscheinlich einen bestimmten Erziehungsstil, Laurie. Toby, du auch.«
»Das stimmt nicht!«
»Doch, das stimmt schon! Du hast wahrscheinlich Ratgeber gelesen.«
»Ich nicht.« Laurie hob ihre Hände in einer Geste der Unschuld. »Wie auch immer, ich glaube, wenn wir behaupten, dass wir unsere Kinder formen, damit sie so oder anders werden, dann machen wir uns etwas vor. Das meiste ist angeboren.«
Die Frauen warfen sich Blicke zu. Vielleicht war das bei Jacob so, aber bei ihren Söhnen nicht. Auf jeden Fall nicht so wie bei Jacob.
Wendy fragte: »Hat irgendjemand von euch
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