Verschwiegen: Thriller (German Edition)
Ben gekannt?« Sie meinte Ben Rifkin, das Mordopfer. Sie hatten ihn alle nicht gekannt. Sie nannten ihn beim Vornamen, um ihm näher zu sein.
Toby: »Nein. Dylan war niemals mit ihm befreundet. Und Ben hat auch nie Sport gemacht oder so was.«
Susan: »Er war ein paarmal mit Max in derselben Klasse, da habe ich ihn gesehen. Wirkte wie ein netter Junge, aber was wissen wir schon?«
Toby: »Die Kids haben ihr eigenes Leben. Die haben bestimmt auch ihre Geheimnisse.«
Laurie: »Genau wie wir. In dem Alter waren wir auch so.«
Toby: »Ich war ein braves Mädchen. In dem Alter hatten meine Eltern keine Probleme mit mir.«
Laurie: »Ich war auch brav.«
Ich schaltete mich ein: »So brav nun auch wieder nicht.«
»Doch, bis ich dir begegnet bin. Du hast mich verdorben.«
»Ach ja? Na, dann bin ich darauf ziemlich stolz. Das muss in meinen Lebenslauf.«
Doch Scherze waren unangebracht, wurde mir dann klar, gerade war der Name des toten Jungen gefallen. Ich kam mir vor den Frauen, die so viel sensibler waren als ich, ungehobelt und taktlos vor.
Es folgte kurzes Schweigen, dann platzte Wendy heraus: »Mein Gott, diese armen, armen Leute! Die Mutter! Und uns fällt nichts Besseres ein als ›das Leben geht weiter, auf zur Schule‹, und ihr Sohn wird niemals wiederkommen.« Tränen traten in Wendys Augen. Dieser Schrecken: Eines Tages, wenn auch nicht durch unsere Schuld …
Toby trat vor, um ihre Freundin zu umarmen, und Laurie und Susan streichelten ihren Rücken.
Ich stand noch einen Augenblick da, ausgeschlossen und mit einer nicht sehr intelligenten und freundlichen Miene. Und bevor die ganze Situation noch bedrückender wurde, verabschiedete ich mich, um nachzusehen, was an der Sicherheitskontrolle vor dem Schuleingang los war. Wendys Trauer um einen Jungen, den sie kaum gekannt hatte, konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Für mich war sie einfach ein weiterer Beweis für die emotionale Verfassung von Frauen. Und dass Wendy meine Worte von der vorhergehenden Nacht wie ein Echo in den Mund genommen hatte – »das Leben geht weiter« –, machte sie in einer Auseinandersetzung, die wir gerade beigelegt hatten, zu einer Verbündeten von Laurie. Genau der richtige Augenblick für einen Rückzug.
Ich machte mich zur Sicherheitskontrolle auf, die im Foyer der Schule eingerichtet worden war. Er bestand aus einem langen Tisch, auf dem Mäntel und Rucksäcke von Polizisten aus Newton per Hand durchsucht wurden, und außerdem gab es noch einen Bereich, in dem je zwei männliche und zwei weibliche Polizisten die Kids mit einem Metalldetektor absuchten. Jake hatte recht gehabt: Die Veranstaltung war einfach lächerlich. Es gab keinen Grund zu der Annahme, dass irgendjemand eine Waffe mit zur Schule bringen würde oder dass der Mörder überhaupt in irgendeiner Verbindung zur Schule stand. Man hatte den Jungen nicht einmal auf dem Schulgelände gefunden. Die ganze Show fand nur für die verängstigten Eltern statt.
Als ich ankam, war das bei jedem einzelnen Schüler stattfindende Durchsuchungsritual unterbrochen worden. Ein Mädchen stritt laut mit einem der Polizisten. Ein Kollege stand dabei und hielt seinen Prügel vor die Brust, wie zum Eingreifen bereit. Es kam heraus, dass ihr Pullover mit der Aufschrift »F-C-U-K« das Problem war. Für den Polizisten war die Aussage »aufwieglerisch« gewesen und daher nach den Stegreif-Sicherheitsmaßnahmen der Schule unzulässig. Das Mädchen erklärte ihm, dass die Buchstaben für eine Marke standen, die man in jedem Einkaufszentrum fand. Und selbst wenn sie ein »unanständiges« Wort suggerierten, wie sollten sie jemanden aufwiegeln? Auf keinen Fall würde sie jemandem ihren Pullover überlassen, der sehr teuer gewesen war, und warum sollte sie es zulassen, dass irgendein Polizist ihren teuren Pullover ohne einen vernünftigen Grund entsorgte? Die Situation war verfahren.
Ihr Gegner, der Polizist, stand leicht vornübergebeugt. Er hatte den Hals vorgereckt, und sein Kopf stand vom Rest des Körpers ab, was seiner Haltung etwas Geierhaftes verlieh. Als er mich bemerkte, richtete er sich auf, zog seinen Kopf zurück, und die Haut am Hals fiel wieder in ihr Doppelkinn.
»Alles klar?«, fragte ich den Polizisten.
»Ja, Sir.«
Ja, Sir . Mir waren das militärische Gehabe der Polizei, die aufgeblasenen militärischen Titel, die Befehlskette und der ganze Rest zuwider. »Rühren«, befahl ich und meinte es als Scherz, aber der Polizist sah verlegen auf seine
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