Verschwiegen: Thriller (German Edition)

nervös machte. Es handelte sich um Jacobs Klassenkameraden, und Logiudice war entschlossen, sich nicht wie beim letzten Mal vorführen zu lassen.
    Derek Yoo war als Zeuge aufgerufen. Derselbe Derek, der unzählige Male in unserer Küche mit uns gegessen hatte, der, auf unserm Sofa lümmelnd, Fußballspiele angeschaut und Chips auf den Teppich gekrümelt hatte, der mit Jacob im Wohnzimmer alle möglichen Spiele gespielt hatte. Derselbe Derek, der mit entrückter Miene und wahrscheinlich zugekifft stundenlang neben Jacob den hämmernden Bässen aus dem iPod gelauscht hatte (die Musik war so laut, dass man sie mühelos durch die Kopfhörer mitverfolgen, gleichsam ihrer beider Gedanken lesen konnte). Als ich diesen selben Derek Yoo jetzt im Zeugenstand sah, hätte ich ihm mit seinem gegelten Haar und seinem verschlafenen Gesichtsausdruck liebend gerne den Hals umgedreht. Seinetwegen wanderte mein Sohn vielleicht ins Gefängnis nach Walpole. Derek hatte sich für den Anlass eine Sportjacke aus Tweed über seine mageren Schultern gezogen. Sein Hemdkragen war zu weit, und die Krawatte, die ihm wie ein Strick um den Hals hing, zog den Kragenstoff in Falten.
    »Derek, wie lange kennst du den Angeklagten?«
    »Seit dem Kindergarten, glaub ich.«
    »Habt ihr zusammen die Grundschule besucht?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    »In Newton, die Mason-Rice-Grundschule.«
    »Und ihr wart immer Freunde?«
    »Ja.«
    »Sehr enge Freunde?«
    »Ich glaub schon. Manchmal.«
    »Habt ihr euch gegenseitig besucht?«
    »Ja.«
    »Habt ihr eure freie Zeit und die Wochenenden miteinander verbracht?«
    »Ja.«
    »Wart ihr in derselben Klasse?«
    »Manchmal.«
    »Wann war das letzte Mal?«
    »In diesem Jahr nicht. Da ist Jake nicht in der Schule, ich glaube, er hat einen Tutor. Also vor zwei Jahren.«
    »Aber auch wenn ihr nicht dieselbe Klasse besucht habt, wart ihr befreundet?«
    »Ja.«
    »Seit wie vielen Jahren wart ihr also befreundet?«
    »Seit acht Jahren.«
    »Acht. Und wie alt bist du jetzt?«
    »Fünfzehn.«
    »Könnte man sagen, dass du Jacob Barbers bester Freund warst, als Ben Rifkin am 12. April 2007 ermordet wurde?«
    Derek wurde still. Die Erinnerung daran machte ihn traurig oder verlegen.
    »Ja.«
    »Gut. Dann gehen wir mal zu jenem Morgen des 12. April 2007 zurück. Erinnerst du dich, wo du da warst?«
    »In der Schule.«
    »Wann bist du an der Schule angekommen?«
    »So gegen halb neun.«
    »Wie bist du an jenem Morgen zur Schule gekommen?«
    »Ich bin zu Fuß gegangen.«
    »Durch den Cold Spring Park?«
    »Nein. Ich komme aus der anderen Richtung.«
    »Gut. Was hast du gemacht, als du in der Schule angekommen warst?«
    »Ich habe meine Sachen eingeschlossen und bin dann ins Klassenzimmer gegangen.«
    »Der Angeklagte war nicht dort, stimmt das?«
    »Ja.«
    »Hattest du ihn bereits gesehen?«
    »Ja, bei den Schränken.«
    »War machte er da?«
    »Er verstaute dort seine Sachen.«
    »War sein Erscheinungsbild irgendwie auffällig?«
    »Nein.«
    »Seine Kleider?«
    »Nein.«
    »Hatte er etwas an der Hand?«
    »Einen großen Fleck, der nach Blut aussah.«
    »Beschreibe den Fleck.«
    »Es war einfach ein großer roter Fleck.«
    »Hast du ihn danach gefragt?«
    »Ja, ich sagte: ›Schau mal, was hast du mit deiner Hand gemacht?‹ Und er: ›Das ist nichts, nur eine Schramme.‹«
    »Hast du gesehen, wie der Angeklagte das Blut entfernt hat?«
    »Nicht gleich.«
    »Hat er geleugnet, dass es sich um Blut handelte?«
    »Nein.«
    »Gut, und dann?«
    »Dann bin ich ins Klassenzimmer gegangen.«
    »War Ben Rifkin mit in deiner Klasse?«
    »Ja.«
    »War er an jenem Morgen im Klassenzimmer?«
    »Nein.«
    »Kam dir das komisch vor?«
    »Nein. Ich weiß gar nicht, ob mir das überhaupt aufgefallen ist. Wahrscheinlich dachte ich, dass er krank ist.«
    »Und dann?«
    »Nichts. Das Übliche: Anwesenheitskontrolle, einige Ankündigungen, und dann fing der Unterricht an.«
    »Was hattet ihr in der ersten Stunde?«
    »Englisch.«
    »Hast du am Unterricht teilgenommen?«
    »Ja.«
    »Und der Angeklagte?«
    »Ja.«
    »Hast du ihn gesehen?«
    »Ja.«
    »Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Wir haben uns nur begrüßt.«
    »War irgendetwas an dem Angeklagten anders als sonst?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Er machte keinen beunruhigten Eindruck?«
    »Nein.«
    »War etwas an seinem Erscheinungsbild anders als sonst?«
    »Nein.«
    »An seiner Kleidung war kein Blut?«
    »Einspruch.«
    »Stattgegeben.«
    »Wie würdest du ihn an jenem Morgen beschreiben?«
    »Er hatte