Verschwiegen: Thriller (German Edition)
dann in der Ankleide Rucksack und Mantel hinwarf. Wir schauten uns nervös an, nahmen die Geräusche auf und versuchten, sie zu deuten.
»Jacob?«, rief Laurie. »Kannst du bitte mal herkommen?«
Es folgte ein Augenblick der Stille, als halte er den Atem an, und dann antwortete er: »Okay.«
Laurie setzte zu meiner Beschwichtigung eine zuversichtliche Miene auf.
Jacob kam beklommen in die Küche geschlichen. Wie ich so zu ihm aufsah, wurde mir mit einem Schlag bewusst, dass er schon die Statur eines Mannes hatte.
»Wieso bist du zu Hause, Dad?«
»Wir müssen über etwas reden, Jake.«
Er trat ein wenig näher heran und sah auf dem Tisch das Messer zwischen uns liegen. Die Klinge war in den Griff eingeklappt, das Messer hatte seine Bedrohlichkeit verloren, es war zu einem Gegenstand wie jeder andere geworden.
Ich sagte so neutral wie möglich: »Könntest du uns sagen, was das da ist?«
»Na ja, ein Messer.«
»Hör auf mit dem Blödsinn, Jacob.«
»Setz dich, Jacob«, ermunterte ihn seine Mutter. »Setz dich nur.«
Er setzte sich. »Ihr habt in meinem Zimmer herumgeguckt?«
»Das war ich.«
»Du hast es durchsucht?«
»Ja.«
»Schon mal was von Privatsphäre gehört?«
»Jacob«, warf Laurie ein, »dein Vater hat sich wegen dir Sorgen gemacht.«
Er rollte mit den Augen.
Laurie fuhr fort: »Wir machen uns beide Sorgen wegen dir. Warum sagst du uns nicht einfach, was das hier soll?«
»Jacob, du bringst mich in eine schwierige Lage. Die Polizei sucht nach diesem Messer.«
»Nach genau diesem Messer?«
»Nicht nach genau diesem, nach einem Messer. Du weißt genau, was ich meine. Nach einem Messer, das aussieht wie dieses hier. Ich verstehe einfach nicht, was ein Junge mit einem derartigen Messer anfängt. Wozu brauchst du das, Jacob?«
»Ich brauche es nicht, ich habe es mir nur einfach besorgt.«
»Warum?«
»Einfach so.«
»Du hast es dir besorgt, ohne zu wissen, warum?«
»Keine Ahnung, ist einfach so. Ohne einen bestimmten Grund. Warum muss alles immer einen Grund haben?«
»Und warum hast du es dann versteckt?«
»Wahrscheinlich weil ich schon geahnt habe, dass du sonst durchdrehst.«
»Sehr richtig. Wozu brauchst du ein Messer?«
»Ich hab’s dir gerade gesagt, ich brauche es nicht. Ich hab nur gedacht, es wäre irgendwie cool. Ich mochte es, ich wollt’s einfach haben.«
»Hast du Schwierigkeiten mit anderen?«
»Nein.«
»Hast du vor irgendjemandem Angst?«
»Nein. Ich hab’s doch gerade gesagt, ich dachte, es wär cool, also hab ich’s gekauft.« Er zuckte mit den Schultern.
»Wo?«
»In dem Army-Laden in der Stadt. Solche Messer sind nicht schwer zu finden.«
»Ist der Einkauf irgendwo belegt? Hast du mit Karte bezahlt?«
»Nein, in bar.«
Ich kniff die Augen zusammen.
»Das ist doch nicht so ungewöhnlich, Dad, es gibt immer noch Leute, die bar bezahlen.«
»Was machst du damit?«
»Nichts, ich schaue es mir an, ich will wissen, wie man sich damit fühlt.«
»Hast du es oft dabei?«
»Nein, normalerweise nicht.«
»Aber manchmal.«
»Nein. Na ja, sehr selten.«
»Hast du es in der Schule dabei?«
»Nein. Nur einmal. Ich hab’s ein paar anderen Kids gezeigt.«
»Wem?«
»Derek, Dylan und ein paar anderen.«
»Warum?«
»Weil ich dachte, das wär cool. Wollt’s einfach ein bisschen rumzeigen.«
»Hast du es für irgendetwas benutzt?«
»Zum Beispiel?«
»Keine Ahnung, wofür man ein Messer eben so benutzt: zum Schneiden.«
»Du meinst, ob ich irgendjemanden im Cold Spring Park damit erstochen habe?«
»Nein, ich wollte fragen, ob du es mal benutzt hast.«
»Nein, niemals. Natürlich nicht.«
»Du hast es also einfach nur gekauft und in deine Schublade gesteckt?«
»So ungefähr, ja.«
»Das ergibt keinen Sinn.«
»Es ist aber die Wahrheit.«
»Warum solltest du – «
»Er ist ein Teenager, Andy«, fuhr seine Mutter dazwischen. »Deshalb.«
»Er braucht keine Hilfestellung, Laurie.«
»Teenager machen manchmal Dummheiten«, erklärte seine Mutter. Sie wandte sich an Jacob. »Sogar sehr intelligente Teenager.«
»Für meinen Seelenfrieden muss ich dir jetzt die folgende Frage stellen, Jacob: Ist dies das Messer, nach dem alle suchen?«
»Nein! Bist du wahnsinnig?«
»Weißt du irgendetwas zu dem Fall Ben Rifkin? Hast du etwas von deinen Freunden gehört? Irgendwas, das du mir sagen könntest?«
»Nein, wie sollte ich?« Er sah mir gerade in die Augen und wich meinem Blick nicht aus. Das Ganze dauerte nur einen Augenblick, war aber
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