Verschwiegen: Thriller (German Edition)
unmissverständlich eine Herausforderung und erinnerte mich an den abfälligen Blick unwilliger Zeugen vor Gericht. Nachdem er mich niedergestarrt und mir so seine Meinung kundgetan hatte, wurde er wieder zum quengeligen Teenager: »Diese ganze Fragerei, Dad, ich fass es nicht. Da komm ich aus der Schule, und plötzlich muss ich solche Fragen beantworten. Ich kann’s einfach nicht glauben. Was denkst du eigentlich von mir!«
»Ich denke gar nichts, Jacob. Ich weiß nur, dass du ein Messer in mein Haus gebracht hast, und ich will wissen, warum.«
»Wer hat dir davon erzählt?«
»Vergiss es.«
»Wahrscheinlich einer von der Schule. Irgendjemand, den du gestern befragt hast. Sag mir, wer.«
»Das spielt keine Rolle. Es geht nicht darum, was andere getan haben. Spiel nicht das Opfer.«
»Andy«, warf Laurie warnend ein. Sie hatte mich ermahnt, ihn nicht in die Enge zu treiben, zu verhören oder zu beschuldigen. Rede einfach mit ihm, Andy, das hier ist Familiensache, und wir reden vernünftig miteinander .
Ich wandte meinen Blick ab und atmete einmal tief durch. »Jacob, hast du etwas dagegen, wenn ich dieses Messer einreiche, damit es auf Blutspuren oder andere Indizien untersucht wird?«
»Nein. Mach damit, was du willst, ist mir doch egal.«
Ich überlegte einen Augenblick. »Okay. Ich glaube dir, ich glaube dir.«
»Bekomme ich jetzt mein Messer zurück?«
»Ganz sicher nicht.«
»Das ist mein Messer. Du hast kein Recht, es mir wegzunehmen.«
»Ich bin dein Vater, das gibt mir das Recht.«
»Außerdem stehst du auf der Seite der Bullen.«
»Hast du aus irgendeinem Grund was gegen Bullen, Jake?«
»Nein.«
»Und warum kommst du mir plötzlich mit deinen Rechten?«
»Was passiert, wenn ich nicht zulasse, dass du es mir wegnimmst?«
»Versuch das mal.«
Er stand da und schaute auf das Messer auf dem Tisch und dann auf mich, das Für und Wider abwägend. »Das ist echt fies«, sagte er und runzelte die Stirn ob dieser Ungerechtigkeit.
»Jake, dein Vater tut nur, was er für das Beste hält, er liebt dich.«
»Und was ist mit dem, was ich für das Beste halte? Das spielt keine Rolle, nehme ich an.«
»Nein«, sagte ich, »da hast du recht.«
Als ich an jenem Nachmittag in der Polizeistation von Newton eintraf, war Patz bereits im Vernehmungsraum. Er saß reglos da wie eine Statue und starrte in die Kamera, die hinter einer Schuluhr versteckt war. Patz wusste von der Kamera. Die Ermittler waren verpflichtet, ihn darüber zu informieren und für den Mitschnitt der Vernehmung seine Zustimmung einzuholen. Die Kamera war trotzdem versteckt, weil man hoffte, dass die Leute sie im Lauf der Vernehmung irgendwann vergessen würden.
Patz war auf dem kleinen Computerschirm in dem Ermittlerbüro neben dem Vernehmungsraum zu sehen. Dort stand ein halbes Dutzend Polizisten aus Newton und von der CPAC und beobachtete das Geschehen. Bislang hatte es anscheinend nicht viel zu sehen gegeben. Die Polizisten bekamen nicht viel geboten und erwarteten auch nicht viel.
Ich betrat den Raum und gesellte mich zu ihnen. »Hat er schon was gesagt?«
»Nichts. Stellt sich ahnungslos – sagt, er weiß nichts.«
Das Bild von Patz füllte den Computerschirm. Er saß am Ende eines langen Holztisches vor einer weißen Wand. Patz war ein massiger Mann. Seinem Bewährungshelfer zufolge war er eins neunzig groß und wog zweihundertsechzig Pfund. Selbst hinter dem Tisch wirkte er riesig. Doch sein Körper war wabbelig. Seine Hüften, sein Bauch, seine Brust – alles hing in seinem schwarzen Poloshirt nach unten, es war, als hätte man ihn hineingegossen und es dann oben am Hals wie einen schwarzen Sack zugeschnürt.
»Du liebe Güte, der könnte aber auch etwas Training vertragen«, sagte ich.
Einer von der CPAC meinte: »Wie wär’s mit ein bisschen Handarbeit zu Kinderporn?«
Wir kicherten.
Mit im Vernehmungsraum saßen links und rechts von Patz Paul Duffy von der CPAC und Nils Peterson, Detective aus Newton. Die Ermittler waren nur hin und wieder auf dem Schirm zu sehen, wenn sie sich in den Winkel der Kamera vorlehnten.
Duffy führte die Vernehmung. »Okay, erzählen Sie mir noch mal genau, was an jenem Morgen los war. Woran erinnern Sie sich?«
»Das habe ich Ihnen schon alles gesagt.«
»Sagen Sie’s noch mal. Sie werden überrascht sein, was einem so alles einfällt, wenn man noch einmal alles wiederholt.«
»Ich habe keine Lust mehr zu reden, ich bin müde.«
»Hey, Lenny, machen Sie ein bisschen mit, okay?
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