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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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Mädchen aus deinen Kreisen … sich nicht mit Jungen wie mir abgeben. Vergiss es einfach.«
    »Woher willst du das wissen, Andy? Wie kannst du wissen, wofür ich mich entscheide?«
    »Du hast recht, du hast recht, das kann ich nicht wissen. Es tut mir leid.«
    Wir beruhigten uns, und es hätte alles noch gut werden können. In diesem Augenblick hätten wir als Paar überleben und miteinander weitermachen können.
    Ich kniete mich hin und legte meine Arme in ihren Schoß und über ihre warmen Beine.
    »Es tut mir leid, Laurie. Es tut mir so leid, dass ich dir das nicht erzählt habe. Aber das ist nicht mehr zu ändern. Ich will nur, dass du verstehst, dass ich weder wie mein Vater noch wie mein Großvater bin, das allein ist wichtig. Ich bin ich. Ich will, dass du mir das glaubst.«
    »Das tue ich, doch, ich glaube schon. Natürlich glaube ich dir das. Weißt du, Andy, es ist spät. Ich kann jetzt nicht darüber nachdenken, ich muss schlafen. Ich bin zu müde dazu.«
    »Du kennst mich, Laurie. Sieh mich an. Du kennst mich doch.«
    Sie betrachtete eingehend mein Gesicht.
    Aus dieser Nähe bemerkte ich zu meiner Überraschung, wie gealtert und erschöpft ihr Gesicht war. Es war egoistisch von mir gewesen und ein wenig grausam, ihr diese Geschichte mitten in der Nacht, nach dem schlimmsten Tag ihres Lebens, aufzubürden. Nur damit ich sie endlich los war und mein Gewissen beruhigt hatte. Und dann fiel es mir wieder ein. Jenes Mädchen mit den braun gebrannten Beinen, das im ersten Jahr auf dem Campus auf einem Badehandtuch saß. Sie gehörte zu einer dermaßen anderen Welt, dass es leichtfiel, mit ihr zu plaudern, denn ich hatte nichts zu verlieren. Schon mit siebzehn wusste ich damals: Meine gesamte Kindheit war nur ein Vorspiel zu dieser Begegnung gewesen. Niemals hatte und habe ich etwas Ähnliches erlebt. Sie veränderte mich physisch. Damit meine ich nicht Sex, obwohl wir rammelten wie die Kaninchen, zwischen den Regalen der Bibliothek, in leeren Hörsälen, in ihrem Auto, im Strandhaus der Familie, sogar auf dem Friedhof. Es ging um mehr: Ich wurde ein anderer, ich wurde der Mann, der ich jetzt bin. Und alles, was darauf folgte – meine Familie, mein Haus, unser ganzes Leben miteinander –, war ein Geschenk, das sie mir machte. Der Zauber hielt vierunddreißig Jahre. Jetzt, im fünfunddreißigsten, sah ich am Ende, wer sie war. Und ich war überrascht: nicht mehr jenes strahlende Mädchen, sondern einfach eine Frau.

Zweiter Teil
    »Dass der Staat bei Mord einzugreifen hat, ist eine relativ moderne Vorstellung. Während der nahezu gesamten Menschheitsgeschichte war Mord eine Angelegenheit, die privat geregelt wurde. In traditionellen Gemeinschaften war die Tötung eines Menschen Auslöser für eine Auseinandersetzung zwischen zwei Clans. Von der Familie des Mörders wurde erwartet, dass sie den Streit beilegte, indem sie der Familie des Opfers oder ihrem Stamm ein Opfer brachte. Die Natur dieses Opfers unterschied sich je nach Gemeinschaft. Es konnte sich um eine Strafgabe oder auch den Tod des Mörders (oder eines Stellvertreters) handeln. Wenn die Verwandtschaft des Opfers nicht zufriedengestellt war, brach unter Umständen eine blutige Fehde aus. Dieses Verhaltensmuster überdauerte viele Jahrhunderte und viele Gesellschaftsformen … Auch wenn die heutigen Vorstellungen andere sind: Mord war traditionsgemäß eine Familienangelegenheit.«
    Joseph Eisen
Murder: A History (1949)

Neuntes Kapitel
    Die Verlesung der Anklage
    Am folgenden Morgen stand Jonathan Klein mit mir und Laurie im dämmrigen Parkhaus an der Thorndike Street. Wir wappneten uns innerlich gegen die Journalisten, die vor dem Gerichtsgebäude ein paar Meter weiter versammelt waren. Klein trug einen grauen Anzug und seinen üblichen schwarzen Rollkragenpullover. Keine Krawatte, nicht einmal fürs Gericht. Der Anzug, besonders die Hose, hing schlaff an ihm herunter. Mit seinem mageren Körper ohne Hintern war er ein Albtraum für jeden Schneider. Seine Lesebrille hing an einem perlengeschmückten Band um seinen Hals. In der Hand hielt er seine abgetragene Ledertasche, die so glatt war wie ein alter Sattel. Für einen Außenstehenden erschien Klein zweifellos ungeeignet für diesen Beruf. Viel zu klein und zu schwach. Aber etwas an ihm wirkte auf mich beruhigend. Für mich hatte er mit seinem zurückgekämmten weißen Haar, seinem weißen Spitzbart und freundlichen Lächeln fast eine magische Ausstrahlung. Ihn umgab Ruhe. Und genau die brauchten

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