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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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enttäuscht für eine freundliche Antwort.
    »Er war es nicht, Paul«, sagte ich. »Das möchte ich dir nur sagen, falls es dazu keine Gelegenheit mehr gibt. Wir beide, du und ich, werden vermutlich für eine Weile nichts mehr miteinander zu tun haben, deshalb möchte ich, dass du es von mir hörst: Er war es nicht, er – war – es – nicht.«
    »Okay. Ich hab’s gehört.« Er wandte sich zum Gehen.
    »Er ist unschuldig, so unschuldig wie dein Sohn.«
    »Okay«, erwiderte er und ging.
    Das Kaninchen saß drüben bei der Thujahecke und mümmelte vor sich hin.
    Wir saßen da und warteten auf Jacob, bis es dunkel wurde, bis die Polizei und die Gaffer abgezogen waren. Er kam nicht.
    Er hatte sich stundenlang versteckt gehalten, die meiste Zeit im Wald des Cold Spring Park, in Gärten und auf dem Spielplatz hinter der Grundschule, die er einst besucht hatte. Gegen acht Uhr morgens fand ihn dort die Polizei.
    Laut Polizeibericht ließ er sich widerstandslos in Handschellen legen. Er begrüßte sie mit den Worten: »Ich bin der, nach dem ihr sucht«, und: »Ich war’s nicht.« Als die Polizei ihm entgegenhielt: »Und wie kam dann dein Fingerabdruck an seinen Körper?«, platzte Jacob heraus (ich bin nicht sicher, ob einfach nur naiv oder voller List): »Ich habe ihn gefunden. Er lag da, und ich habe versucht, ihn aufzuheben, um ihm zu helfen. Dann habe ich gesehen, dass er tot ist, habe mich gefürchtet und bin weggelaufen.« Er hat wohl zu spät erkannt, dass es eine Dummheit war, mit Geständnissen um sich zu werfen, denn er sagte dann nichts mehr. Jacob kannte, wie nur wenige andere Jungen, den Sinn des Rechts auf Aussageverweigerung. Später gab es Spekulationen darüber, warum Jacob diese eine Aussage gemacht hatte und wie sehr in seinem Interesse sie gewesen war. Er habe sich diese Aussage zurechtgelegt, hieß es, und habe dabei so getan, als sei sie ihm herausgerutscht; er habe die Ermittlungen beeinflussen wollen und sich so früh wie möglich eine Verteidigungsstrategie zurechtgelegt. Ich weiß nur, dass Jacob niemals so schlau und hintertrieben war, wie ihn die Presse hinstellte.
    Wie auch immer, danach wiederholte Jacob der Polizei gegenüber immer nur den einen Satz: »Ich will meinen Dad.«
    Er konnte in jener Nacht nicht gegen Kaution freikommen. So saß er in Newton im Untersuchungsgefängnis, gerade mal ein, zwei Meilen von uns zu Hause entfernt.
    Laurie und ich durften ihn nur ganz kurz in einem kleinen fensterlosen Raum besuchen.
    Jacob war ganz offensichtlich fertig. Seine Augen waren feucht und rotgerändert, sein Gesicht gerötet, mit einem horizontalen roten Streifen auf jeder Wange, wie bei einer Kriegsbemalung. Er hatte eine Heidenangst. Zugleich bemühte er sich um Haltung. Seine Gesten wirkten angespannt, mechanisch und starr. Wie ein Junge, der versucht, den Mann zu spielen, oder zumindest das, was er sich unter einem Mann vorstellte. Es brach mir das Herz, zu beobachten, wie er sich zusammenzureißen versuchte, wie er Emotionen – Panik, Wut und Sorge – in sich zu halten versuchte. Das wird er nicht lange durchhalten können, dachte ich bei mir. Lange würde seine Energie dafür nicht mehr ausreichen.
    »Alles in Ordnung, Jacob?«, fragte Laurie mit unsicherer Stimme.
    »Nein. Natürlich nicht.« Mit einer Geste wies er auf den Raum, seine ganze Umgebung und meinte mit bitterer Miene: »Ich bin erledigt.«
    »Jake –«
    »Die behaupten, ich hätte Ben umgebracht! Ich. Ich. Ich kann’s nicht fassen, einfach nicht fassen.«
    »Jake, da liegt ein Irrtum vor«, unterbrach ich. »Ein furchtbares Missverständnis. Wir kümmern uns drum, okay? Ich will nicht, dass du aufgibst. Das ist erst der Anfang, und vor uns liegt noch ein langer Weg.«
    »Ich kann’s nicht fassen, das ist unglaublich. Ich bin wie –«, er gab einen Laut von sich, der wie eine Explosion klang, und formte mit seinen Händen einen Pilz – »weißt du? Wie … wie … wie heißt der Typ noch mal? In dieser Geschichte!«
    »Kafka.«
    »Nein. Der Typ aus … aus diesem Film.«
    »Keine Ahnung, Jake.«
    »Wo der Typ rausfindet, dass die Welt gar nicht die Welt ist, sondern nur ein Traum? Nur Simulation? Dass das alles nur aus einem Computer stammt? Und dann zeigt man ihm die richtige Welt. Es ist ein alter Film.«
    »Ich bin nicht sicher.«
    » Matrix .«
    » Matrix . Und der soll alt sein?«
    »Keanu Reeves, Dad? Bitte!«
    Ich schaut Laurie an. »Keanu Reeves?«
    Es war erstaunlich, wie Jake selbst in dieser Lage noch so

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