Verschwiegen: Thriller (German Edition)
Barber?«
Ich hielt Lauries Hand, und wir drängelten uns durch den Eingang. Drinnen war alles überraschend ruhig und fast normal. Journalisten hatten hier keinen Zugang. An der Sicherheitskontrolle trat man zurück, um uns hindurchzulassen. Dieselben Angestellten, die mich immer mit einem Lächeln durchgewinkt hatten, hielten mich nun an und inspizierten das Kleingeld aus meiner Hosentasche.
Im Aufzug waren wir noch einmal kurz allein. Während wir in den sechsten Stock hinauffuhren, wo der Gerichtssaal für den ersten Termin liegt, streckte ich meine Hand nach Laurie aus, und meine Finger suchten einen Halt in den ihren. Meine Frau war ein ganzes Stück kleiner als ich, und um ihre Hand zu halten, musste ich diese fast auf Hüfthöhe zu mir hinaufziehen. Damit war der Ellbogen abgewinkelt, so als würde sie auf ihre Uhr schauen. Über ihr Gesicht huschte ein Schatten von Ekel, ihre Lider flatterten kurz, und ihre Lippen nahmen einen harten Zug an. Es war eine kaum wahrnehmbare Bewegung, eine winzig kleine Muskelanspannung, aber ich bemerkte sie und ließ ihre Hand los. Die Aufzugtüren bewegten sich leicht, während wir nach oben fuhren. Klein hielt seinen Blick währenddessen taktvoll auf die Aufzugknöpfe gerichtet.
Als die Türen sich ratternd öffneten, drängelten wir uns durch die überfüllte Lobby in Richtung Saal 6b, wo wir auf einer Bank Platz nahmen, bis unser Fall aufgerufen würde.
Die Wartezeit bis zum Erscheinen des Richters war beklemmend. Man hatte uns gesagt, dass wir um Punkt zehn aufgerufen würden, damit sich das Gericht kurz mit uns beschäftigen und dann – ebenso wie die ganze Journalistenmeute und die Gaffer – wieder anderen Geschäften nachgehen konnte. Wir waren eine Viertelstunde früher dran. Die Zeit wollte nicht vergehen und fühlte sich viel länger an als fünfzehn Minuten. Die Anwälte, von denen ich die meisten kannte, hielten Abstand, als ob uns eine unsichtbare Mauer umgeben würde.
Paul Duffy stand auf der anderen Seite zusammen mit Logiudice und ein paar anderen von der CPAC . Duffy, im Grunde so etwas wie Jacobs Onkel, schaute kurz zu mir herüber, als wir Platz nahmen, wandte sich dann aber ab. Mir machte das nichts aus, ich fühlte mich nicht abgewiesen. Die ganze Prozedur hatte eine bestimmte Form, das war alles. Duffy musste bei seinem Team bleiben. Das war sein Job. Vielleicht würden wir wieder Freunde werden, wenn Jacob freigesprochen würde, vielleicht aber auch nicht. Für den Augenblick war unsere Freundschaft auf Eis gelegt. Das wollten die Spielregeln so. Ich wusste, dass Laurie Duffys ablehnendes Verhalten und das von anderen nicht so leidenschaftslos hinnahm wie ich. Für sie war es eine furchtbare Erfahrung, Freundschaften auf diese Weise enden zu sehen. Schließlich waren wir ja immer noch dieselben Menschen wie vorher. Und weil wir uns nicht verändert hatten, war es für sie leicht zu übersehen, dass die anderen auch uns, und nicht nur Jacob, mit völlig neuen Augen sahen. Laurie fand, die Leute sollten erkennen, dass wir, sie und ich, unschuldig waren – egal, was Jacob verbrochen haben mochte.
Gerichtssaal 6b hatte zusätzliche Bänke für Geschworene, und an jenem Morgen war dort eine Fernsehkamera aufgebaut, um für alle Lokalsender ein Video aufzunehmen. Während wir warteten, richtete der Kameramann das Gerät auf uns. Wir setzten die ausdruckslosen Mienen von Angeklagten auf und schwiegen, ja, wir blinzelten nicht einmal mehr. Es ist nicht einfach, so lange unter Beobachtung auszuharren. Mir fielen mit einem Mal Kleinigkeiten auf, wie das bei längeren Phasen von vollkommenem Stillstand üblich ist. Ich betrachtete meine schweren, blassen Hände mit ihren dicken, verschrammten Knöcheln. Nicht gerade Anwaltshände, dachte ich bei mir. Es war merkwürdig, sie aus den Ärmeln meines Mantels herausragen zu sehen. Diese Viertelstunde Warterei und das Gestarre in einem Gerichtssaal, in dem ich bis vor Kurzem den Ton angegeben hatte und der mir so vertraut war wie die Küche zu Hause, waren noch schlimmer als das, was dann kam.
Um zehn rauschte die Richterin für die erste Anhörung in ihrer schwarzen Robe herein. Es war Richterin Rivera, eine Katastrophe als Richterin, aber gut für uns. Zu Ihrem Verständnis: Gerichtssaal 6b, der Saal für die erste Anhörung, war ein schwieriger Wirkungsbereich. Die Richter wechselten sich alle paar Monate ab. Ihre Aufgabe war es, das System am Laufen zu halten. Sie mussten die Fälle den Gerichtssälen so
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