Verschwiegen: Thriller (German Edition)
an. Dabei blieb sein Rumpf unbewegt, er verdrehte nur den Hals.
Alles schien ihm zuzufliegen. Glaubte er das im Ernst?
»Mister Logiudice«, meinte das Rhinozeros, »ich nehme an, Ihnen ist bekannt, dass Andrew Barber nicht angeklagt ist.«
Logiudice sah wieder nach vorn zum Gericht. »Ja, Euer Ehren.«
»Kommen wir also zur Kaution.«
»Die Staatsanwaltschaft fordert eine sehr hohe Kaution, Euer Ehren: Fünfhundertausend in bar und fünf Millionen als Bürgschaft. Angesichts der außergewöhnlichen Familienverhältnisse besteht bei dem Angeklagten ein erhöhtes Fluchtrisiko, und zwar wegen der Brutalität des Verbrechens, der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung und der ungewöhnlichen Vorbildung des Angeklagten, der in einem Haus aufgewachsen ist, in dem Strafrecht zum Familienalltag gehört.«
Logiudice redete noch eine Weile weiter solchen Blödsinn. Er hatte seine Worte offensichtlich auswendig gelernt und trug sie ohne große Gefühle vor.
In meinem Kopf setzte sich die Bemerkung fest, die er eben über mich fallen gelassen hatte: Ich bin diesem Mann verbunden und empfinde Mitgefühl. Immer war er der Klügste unter uns, alles schien ihm zuzufliegen. Man hatte diese Rede im Gericht aufgenommen, als seien ihm die Worte gerade in dem Moment in den Sinn gekommen, in dem sie ihm über die Lippen kamen. Es war wirklich rührend. Solche Szenen hatte es immer mal gegeben: Ein enttäuschter Schüler erkennt in seinem Mentor den einfachen Mann, der vom Sockel gefallen ist, er kann es nicht fassen und so weiter und so weiter. Alles Blödsinn: Logiudice war kein Typ für Improvisation. Jedenfalls nicht vor laufender Kamera. Ich stellte mir vor, wie er diese Sätze vor dem Spiegel geübt hatte. Die einzige Frage war, was er sich davon versprach. Wie er Jacob erwischen wollte.
Rivera, das Rhinozeros, blieb von Logiudices Argumenten unbeeindruckt. Sie setzte die Kaution auf den Betrag fest, der schon bei seiner Inhaftierung genannt worden war, auf magere zehntausend Dollar, eine Formalität, denn Jacob könne nirgendwohin, und wir seien dem Gericht als Familie bekannt.
Logiudice ließ sich von der Niederlage nicht einschüchtern. Sein Auftritt hatte ohnehin nur seiner Selbstdarstellung gedient. »Euer Ehren«, kämpfte er weiter, »die Staatsanwaltschaft erhebt überdies Einspruch gegen Mister Klein als Verteidiger. Mister Klein hat vorher im Zusammenhang mit diesem Mordfall einen Verdächtigen vertreten, dessen Namen ich vor Gericht nicht nennen möchte. Die Verteidigung eines zweiten Verdächtigen in diesem Mordfall bedeutet eindeutig einen Interessenkonflikt. Die Verteidigung ist über den anderen Angeklagten sicher in den Besitz von vertraulichen Informationen gelangt, welche Einfluss auf die Verteidigung haben dürften. Ich habe den Verdacht, dass der Angeklagte damit die Grundlage für einen Einspruch aufgrund eines Formfehlers legt.«
Dass ihm hier unterstellt wurde, mit gezinkten Karten zu spielen, brachte Jonathan auf. Es kam äußerst selten vor, dass ein Anwalt einen anderen dermaßen unverblümt attackierte. Sogar während heftiger Wortgefechte wurde bei Gericht doch immer die formale Höflichkeit eines Clubs beibehalten. Jonathan fasste die Worte als Beleidigung auf. »Wenn die Staatsanwaltschaft sich die Mühe gemacht hätte, bestimmte Fakten zu überprüfen, wäre es niemals zu dieser Anschuldigung gekommen, Euer Ehren. Tatsache ist, dass ich von dem anderen Verdächtigen niemals für diesen Fall beauftragt wurde und mich auch nie mit ihm darüber unterhalten habe. Es handelt sich um einen Mandanten, den ich Jahre zuvor in einem Fall vertreten habe, der hiermit nichts zu tun hat. Er bat mich eines Tages völlig unerwartet, auf das Polizeirevier von Newton zu kommen, wo man ihn vernahm. Ich riet ihm, keine Fragen zu beantworten, das war meine einzige Verbindung zu diesem Fall. Weil er dann nicht angeklagt wurde, habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Weder jetzt noch zu einem anderen Zeitpunkt bin oder war ich im Besitz von irgendwelchen Informationen, vertraulich oder nicht, die mit diesem Fall etwas zu tun haben. Es liegt keinerlei Interessenkonflikt vor.«
»Euer Ehren«, erwiderte Logiudice geschmeidig, »als Staatsanwalt ist es meine Pflicht, über einen solchen Zusammenhang zu informieren. Falls Mister Klein sich angegriffen fühlt …«
»Ist es Ihre Pflicht, dem Angeklagten den Rechtsbeistand seiner Wahl zu verweigern? Und ihn der Unredlichkeit zu bezichtigen, bevor der Fall überhaupt
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