Verschwiegen: Thriller (German Edition)
Logiudice:
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein Beweisdokument Nummer, warten Sie …, 22 lenken. Erkennen Sie das Schriftstück wieder?
Zeuge:
Ja, das ist ein Brief von Dr. Vogel an Jonathan Klein, unseren Verteidiger.
Mister Logiudice:
Und das Datum?
Zeuge:
Der 2. Oktober.
Mister Logiudice:
Also zwei Wochen vor dem Gerichtstermin.
Zeuge:
Mehr oder weniger.
Mister Logiudice:
Am Ende des Briefes steht: Mit Kopie an Mr. und Mrs. Andrew Barber. Hat man Ihnen diesen Brief damals gezeigt?
Zeuge:
Ja.
Mister Logiudice:
Aber Ihr Anwalt stellte diesen Brief damals nicht der Anklage zur Verfügung, stimmt das?
Zeuge:
Soweit ich weiß, hat er das nicht getan.
Mister Logiudice:
Nicht nur, soweit Sie wissen, sondern soweit alle von uns wissen.
Zeuge:
Spielen Sie nicht den Zeugen, Neal. Nun kommen Sie schon, stellen Sie Ihre Frage.
Mister Logiudice:
Gut. Warum wurde dieses Schriftstück der Anklage vorenthalten?
Zeuge:
Weil es von der Verpflichtung zur Vorlage ausgenommen ist. Es handelt sich um das Ergebnis einer Unterhaltung zwischen Arzt und Patienten, und es ist reines Arbeitsmaterial. Das heißt, es wurde von der Verteidigung als Teil der Vorbereitung auf das Verfahren angefertigt. Und damit ist es vertraulich und von der Verpflichtung zur Vorlage ausgeschlossen.
Mister Logiudice:
Aber jetzt haben Sie es vorgelegt. Und zwar aufgrund einer ganz einfachen gerichtlichen Anweisung. Warum dieses Mal? Warum machen Sie von dem eben geschilderten Privileg keinen Gebrauch mehr?
Zeuge:
Das kann nicht ich bestimmen. Aber es spielt auch keine Rolle, hier geht es jetzt um die Wahrheit.
Mister Logiudice:
Sieh mal an. Jetzt kommen wir wieder zu dem Teil, wo Sie uns erzählen, dass Sie Vertrauen in die Justiz haben?
Zeuge:
Das Justizsystem ist so gut wie die Leute, die darin arbeiten.
Mister Logiudice:
Hatten Sie Vertrauen zu Dr. Vogel?
Zeuge:
Ja, absolut.
Mister Logiudice:
Haben Sie das immer noch? Es hat sich in der Zwischenzeit nichts an Ihrem Vertrauen in die Diagnose von Dr. Vogel geändert?
Zeuge:
Nein, nichts.
Mister Logiudice:
Sie bezweifeln nichts, was in diesem Brief steht?
Zeuge:
Nein.
Mister Logiudice:
Und was war Sinn und Zweck dieses Briefes?
Zeuge:
Es handelt sich um eine Meinungsäußerung, eine Zusammenfassung ihrer Diagnose zu Jacob. Sie diente Jonathan als Grundlage für eine Entscheidung: Sollte er Dr. Vogel unter Umständen als Zeugin ins Spiel bringen? Sollte er überhaupt auf das ganze Thema von Jacobs Psyche eingehen?
Mister Logiudice:
Könnten Sie der Jury bitte den zweiten Absatz vorlesen?
Zeuge:
»Der Patient ist ein sprachlich gewandter, intelligenter und höflicher Vierzehnjähriger. Er ist im Umgang schüchtern und im Gespräch zurückhaltend, aber ohne Einschränkung in der Lage, alle mit diesem Fall zusammenhängenden Vorkommnisse zur Kenntnis zu nehmen, sich an sie zu erinnern und wiederzugeben. Er ist überdies in der Lage, an vorbereitenden Beratungsgesprächen im Hinblick auf das Verfahren aktiv teilzunehmen und intelligente, vernünftige und überlegte Entscheidungen hinsichtlich seiner Verteidigung zu treffen.«
Mister Logiudice:
Damit ist Jacob nach dem Befund der Ärztin ohne Vorbehalte in der Lage, vor Gericht zu erscheinen, stimmt das?
Zeuge:
Das ist eine juristische Einschätzung, keine medizinische. Aber die Ärztin
ist mit den Anforderungen des Gerichts offensichtlich vertraut.
Mister Logiudice:
Und was ist mit der Schuldfähigkeit? Die Ärztin geht in ihrem Brief darauf ein, und zwar in Absatz drei.
Zeuge:
Ja.
Mister Logiudice:
Lesen Sie bitte vor.
Zeuge:
Ich zitiere: »Ob Jacob zwischen richtig und falsch unterscheiden kann und ob er in der Lage ist, nach diesen Kriterien zu handeln, kann ich derzeit noch nicht mit Sicherheit entscheiden. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass genetische und neurologische Erkenntnisse eine Rolle spielen könnten, die auf der Theorie der Steuerungsunfähigkeit basieren.« Ende des Zitats.
Mister Logiudice:
»Hinweise« und »genetische und neurologische Erkenntnisse, die eine Rolle spielen könnten« – alles ziemlich schwammig, finden Sie nicht?
Zeuge:
Das ist doch verständlich. Es herrscht natürlich immer eine gewisse Skepsis, wenn es um die Entlastung von Mord geht. Sollte es zu einer Aussage als Zeugin kommen, musste sich die Ärztin ihrer Sache ganz sicher sein.
Mister Logiudice:
Aber sie hat die Möglichkeit zumindest eingeschlossen? Sie hat immerhin zugestanden, dass diese neuen
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