Verschwiegene Schuld
Personal wurde in den KGB-Akten sorgfältig Buch geführt. Ihre Zahl betrug etwa 270 000, von denen rund 66 000 in Gefangenschaft umkamen, die übrigen heimkehrten. Diese Zahlen sind daher für die Zahl vermißter Soldaten irrelevant. Somit ergeben sich als Basiswert für die erwiesenermaßen vermißten Soldaten die durch die unvollständige Umfrage erfaßten 1,4 Millionen, die sich durch proportionale Zurechnung der nicht erfaßten Vermißten und unter Berücksichtigung der Diskrepanzen zwischen Overmans und Bitter auf l ,7-1,9 Millionen Vermißte summieren. Diesen sind noch die 66 000 toten paramilitärischen Gefangenen hinzuzurechnen, was eine Gesamtzahl von 1,8-2 Millionen ergibt. Die wahre Gesamtzahl der in Gefangenschaft umgekommenen Angehörigen militärischer und paramilitärischer deutscher Einheiten liegt also zwischen l 800 000 und 2 000 000.
Neben den hier genannten Deutschen gab es auch Hunderttausende andere Europäer, darunter viele Italiener, Ungarn und Österreicher, die in den Lagern der Sowjets und der Westmächte umkamen. Allein die Sowjets verzeichneten in dieser Gruppe rund 160 000 Tote.
Anhang 5
Wie ein Schriftsteller ausspioniert wurde
1994 wurde ich von einem Mann, den ich hier einmal Jean le Spion nennen will, davon in Kenntnis gesetzt, daß ich nach Erscheinen meines Buches Other Losses (»Der geplante Tod«) im Jahre 1989 »unverzüglich aufs Korn genommen« wurde. Le Spion wußte, wovon er sprach, denn er hatte einer der Organisationen angehört, die diese Ausspionierung betrieben hatte.
Im Herbst 1989 hielt ich mich mit meiner Frau Elisabeth in der Villa von Freunden in Südfrankreich auf. Das Telefon machte seltsame Geräusche, so daß man kaum verstehen konnte, was der andere sagte. Ich rief die Telefongesellschaft an, die mir sagte, daß sie jemanden vorbeischicken würden. Als Elisabeth und ich am nächsten Tag das Haus verlassen wollten, stand ein Mann im Anzug und mit Aktentasche in der Einfahrt. Ich fragte ihn, was er wolle, und er entgegnete mir, daß er die Villa Autran suche. Das sei die Villa, aus der er uns gerade habe kommen sehen, sagte ich. Wir wohnten dort. Ob er wegen des Telefons käme? Ja, sagte er, und ich erklärte ihm, daß nicht abgeschlossen sei und er hineingehen und das Telefon reparieren könne, während wir weg seien. Als wir am Abend zurückkehrten, war das Telefon in Ordnung.
Am nächsten Tag sah ich draußen auf der Straße, gleich neben unserer Einfahrt, einen blaugelben Lieferwagen der Telefongesellschaft und daneben einen Mann in Dienstuniform, mit einem Werkzeuggürtel um den Bauch. Ich erinnerte mich der Begegnung vom Vortag, ging hinaus und fragte den Uniformierten, ob er der für die Gegend zuständige Telefontechniker sei. Er sagte, ja, außer wenn er Urlaub habe und jemand anders für ihn einspringe. Ich fragte ihn, ob er Auftrag habe, mein Telefon zu reparieren, was er verneinte. Mir fiel ein, daß ich am Tag zuvor kein Fahrzeug der Telefongesellschaft in der Einfahrt oder sonstwo in der Nähe gesehen hatte.
Ich besprach die Sache mit Elisabeth, doch wir konnten nicht schlau daraus werden. Ich sah keinen Sinn darin, die Telefongesellschaft anzurufen, denn da würde man mir nur sagen, sie wüßten von nichts.
Einige Tage später telefonierte ich – über den gleichen Anschluß – mit meinem Verleger in Toronto, Nelson Doucet. Ich berichtete ihm von einer Entdeckung, die ich kürzlich in bezug auf Kriegsgefangene gemacht hatte, und sagte ihm meine Meinung darüber. Ich sagte ihm auch, daß es sich um eine Geheimsache handele.
Wieder ein paar Tage später telefonierte ich – von dem gleichen Apparat aus – mit einem britischen Journalisten in London, der kein gutes Blatt an Other Losses gelassen hatte. Er begann: »Aber Sie denken doch …« und wiederholte nun, was ich unter dem Siegel der Verschwiegenheit Doucet mitgeteilt hatte. Ich war vollkommen sprachlos. Wie hatte er davon Kenntnis erhalten? Ich sprach mit Elisabeth darüber und meinte, das Haus sei verwanzt, unsere Gespräche würden abgehört, doch sie konnte darüber nur lachen. Auch ich selbst konnte es mir kaum vorstellen. Um so etwas zu tun, hätten die Franzosen überhaupt erst mal von meinem Buch wissen müssen, und es war nicht einmal in Frankreich erschienen. Sodann hätten sie wissen müssen, daß ich mich gerade in Frankreich aufhielt, und hätten mir nachspüren müssen. Und die Villa, in der wir wohnten, war nicht gemietet, lediglich ausgeborgt, und das
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