Verschwiegene Schuld
auf dem Weg vom Ort der Gefangennahme an der Front zu den NKWD-Sammellagern umkamen. Prof. Villa bleibt einen Beweis hierfür schuldig. Prof. Karner bezeichnet die Zahl von 800 000 solcher Todesfälle als »Dunkelziffer«.
Sehen wir uns diese Dunkelziffer einmal näher an. Die Wehrmacht selbst gibt im Kriegstagebuch des OKW für Ende Januar 1945 eine Gesamtzahl an Verlusten durch Gefangennahme an allen Fronten von l 902 704 an. 2 Die Westalliierten hatten an der nordwesteuropäischen Front 745 877 Gefangene gemacht. 3 Weitere 350 000 Gefangene waren bereits von Nordafrika und Sizilien aus nach Kanada und den USA geschickt worden. Auf diese Weise hatten die Westalliierten insgesamt l 095 877 Gefangene gemacht, von denen etwa 80 Prozent oder 876 700 Deutsche waren. Durch Subtraktion der alliierten Gefangennahmen von der Gesamtzahl der von der Wehrmacht angegebenen Verluste erhält man die Zahl derjenigen Soldaten, die den Sowjets an der Ostfront in die Hände fielen. Nach dieser Berechnung hätten die Sowjets etwa 1 026 000 Gefangennahmen von deutschen Soldaten verzeichnen müssen. Tatsächlich verzeichneten sie zu dem genannten Zeitpunkt 1 059 298 Gefangene. 4 Hier zeigt sich zweifelsfrei, daß die sowjetischen Gefangenenzahlen und die deutschen Angaben über Verluste durch Gefangennahmen praktisch übereinstimmen . 5
Nach dem Krieg stellte der Maschke-Ausschuß fest, daß die Deutschen bei Kriegsende 3 060 000 Gefangene an die Sowjets verloren hätten. 6 Die Rote Armee – nicht der NKWD – berichtete über Gefangennahmen auf dem Schlachtfeld, das heißt vor dem Abtransport in die Sammellager, von insgesamt 2 546 242 Deutschen und Österreichern. Zählt man die internyrovannije, das heißt die Zivilinternierten, hinzu, so ergibt sich eine Gesamtzahl von 2 817 914 Gefangennahmen. 7 Der Unterschied von etwas mehr als 200 000 ergibt sich höchstwahrscheinlich aus den zahlreichen Desertionen deutscher Soldaten von der Ostfront, die in den letzten Kriegswochen ein ernstes Problem darstellten, aber offenbar von Maschke nicht in Betracht gezogen wurden. Innerhalb einer Woche (l.-8. Mai 1945) nahmen die Sowjets 634 950 Gefangene. Briten und Kanadier nahmen an eineinhalb Tagen im Mai eine halbe Million Gefangene. So viele Deserteure strömten nach Westen, daß Eisenhower im Mai seine Front gegen sie abriegeln mußte.
Damit wäre also geklärt, daß auf dem Weg von der Gefangennahme auf dem Schlachtfeld bis zum ersten sowjetischen Lager, in dem die Gefangenen gezählt wurden, unmöglich eine größere Zahl von ihnen umgekommen sein kann.
Fälschung und Irrtum in der Sowjetunion
Fälschungen gab es, allerdings nur außerhalb der NKWD/MWD-Archive, während des Krieges und danach für Zwecke der Diplomatie und Propaganda. Die zeitgenössischen Zahlen in den Archiven von NKWD und Roter Armee jedoch sind die zuverlässigsten, die es überhaupt gibt. 8 Daß die NKWD-Archive selbst nicht gefälscht wurden, geht eindeutig aus der Tatsache hervor, daß die Sowjetbehörden diesen Dokumenten selbst glaubten und sie fürchteten. Die Archive enthalten Belege, die für Berija selbst und das ganze Regime äußerst peinlich geworden wären, falls die Öffentlichkeit Kenntnis von ihnen erlangt hätte. Der Petrow-Bericht ist das beste Beispiel dafür. Falls Fälschungen die Praxis gewesen wären, so wäre dieser Bericht sofort verschwunden, da er einen eklatanten Verstoß gegen Stalins ausdrücklichen Befehl von 1943 enthüllt, keine Gefangenen-Arbeitskraft zu verschwenden.
Die deutschen Zahlen
Die Zahl von 1,4 Millionen vermißten deutschen Soldaten aus der Adenauer/Bitter-Erhebung ist nie angezweifelt worden. Sie wird als völlig glaubwürdig akzeptiert. Nur eine Frage lauert im Hintergrund: Wer ist für den Tod der vermißten Deutschen verantwortlich? Nun, da sich die Sowjetarchive geöffnet und als die zuverlässigsten aller Archive erwiesen haben, muß derjenige, der behauptet, im Westen habe es sehr wenig oder gar keine Todesfälle gegeben, alle oder fast alle Todesfalle den Sowjets in die Schuhe schieben und gleichzeitig behaupten, daß die sowjetischen Archive gegenüber denen des Westens wertlos sind. Die westlichen Archive aber sind unvollständig, irreführend, unsystematisch und stecken voller Eigenlob. Ein leitender Beamter des US-Nationalarchivs, Eddy Reese, gab offen zu, daß eine große Zahl von Lagerdokumenten aus unbekannten Gründen bald nach dem Krieg vernichtet wurde. Die Aufzeichnungen
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