Verschwörung beim Heurigen
Eine Dame betrachtete man anders. Sein Blick war herablassend,
zeugte von mangelndem Respekt. War sie überempfindlich? Was war heute mit ihr los?
»Es freut mich außerordentlich, dass wir Sie für unser Anliegen gewinnen konnten, dass Hans Petkovic Sie gewinnen konnte.
Menschen – Frauen mit Ihren Fähigkeiten sind selten. Seriosität und Kompetenz, Professionalität und Sachverstand, das ist es, was wir
brauchen. Natürlich gepaart mit Ihrem Charme, gnädige Frau. (Du Schleimer!) Es wird mir ein Vergnügen sein, mit Ihnen zu arbeiten.
Es kommt eine anregende Zeit auf uns zu. Ich werde Ihnen hier interessante |248| Kontakte vermitteln, zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Politik – wie Sie
die nutzen, liegt an Ihnen. Das Entree kann ich Ihnen verschaffen, der Rest liegt bei Ihnen – wie gesagt, ein Vergnügen. Wie
wünschen Sie den Kaffee?«
Damit bugsierte er sie am Oberarm in einer Art aus seinem Büro in den Flur, die sie hasste, und sie entzog sich ihm. Wollknechts
Griff hatte mehr von »Abführen« als von Begleiten, das Dummchen kann nicht auf sich selbst Acht geben. Sie betrat nach ihm
einen Raum, in dem eine Schreibkraft mit Kopfhörern Schriftsätze tippte.
»Sie wird von Ihren Telefonaten nichts mitbekommen und Sie nicht stören, wir sind diskret. Hier, Ihr Rechner, Internetzugang,
das Telefon steht Ihnen zur Verfügung.«
Würde er mithören oder die Tippse nachher ausfragen? Die elektronischen Spuren auf dem Computer zu verwischen, war sie gewohnt.
Er sollte das ruhig merken, dann würde er wissen, mit wem er’s zu tun hatte. Sie würde alles auf ihr Laptop kopieren. Die
Unterlagen, die er gestern mit in die Surfschule gebracht hatte, lagen auf einem leeren Schreibtisch bereit. Ihr schauderte
beim Anblick des Aktenbergs. Sie hatte Urlaub machen wollen.
»Für heute Mittag habe ich einen Tisch in einem Restaurant in der Nähe reservieren lassen, und am späten Nachmittag machen
wir einen Ausflug.«
Wurde da über ihren Kopf hinweg entschieden, das fing ja gut an, oder wollte der Anwalt sie anmachen?
Sein Lächeln erstickte ihren Protest im Ansatz. »Hansi kommt selbstverständlich mit. Wir werden einen Freund besuchen, einen
Winzer in Gols, einen guten Freund, er ist einer unserer Besten, ein Wegweiser, ein Vordenker oder eine Art Wein-Guru. Verkauft
bis nach Japan. Modernste Kellerei, architektonisch einmalig. Wir ziehen auch in der Bürgerinitiative am selben Strang.« Der
Anwalt verbeugte sich. »Ich bin bis um dreizehn Uhr bei Gericht ... «
|249| Ein junges Mädchen brachte Kaffee, dann ließ auch die Stenotypistin Johanna allein. Verwirrt trat sie ans Fenster.
Unten links ein Rasenplatz mit Blumen, besonders die Gladiolen gefielen ihr, darin eine Stele, wie sie in jedem Dorf oder
auch inmitten der Weinberge stand, oben darauf die Mutter Gottes frisch gesandstrahlt. Gegenüber die barocke Bergkirche, Engelsstatuen
auf dem Geländer der Freitreppe und an den Aufgängen neben dem in Gelb und Weiß gehaltenen Kuppelbau. Er erinnerte Johanna
wegen der ineinandergreifenden Rundungen an russisch-orthodoxe Kirchen. In der Gruft war das Grab Joseph Haydns, das Mausoleum
hatte ihm Paul V. Esterházy posthum errichten lassen. Das Schloss und den Haydn-Saal sollte sie sich ansehen, egal mit welchen Frauen Carl da
seine Verkostungen oder sonst was zelebriert hatte.
Die strahlende Kirche, das Sonnenlicht auf dem Hügel, eingefasst von kleinen bunten Häusern, ihre beruhigenden Farben sowie
die Beschaulichkeit des Ortes besänftigten Johanna nach einer Weile. Sie ging zum Schreibtisch, schenkte sich Kaffee ein und
begann zu arbeiten.
Zuerst musste sie das Umfeld für das Bauvorhaben erkunden. Inwieweit kamen hier Gesetze für den Naturschutz zum Tragen, und
wie ließen sie sich aushebeln? Das Trainingszentrum war nicht nur ein gewöhnlicher Bau, sondern ein Wasserbau in einem sensiblen
Gebiet, direkt in der Uferzone, was die Sache verkomplizierte. Was bedeutete die Anerkennung der Region Neusiedler See als
Weltkulturerbe, und welche Auflagen mussten erfüllt werden, damit dieser Status erhalten bliebe? Welche Fördermittel waren
damit verbunden, auf die kein Politiker verzichten würde? Sie erinnerte sich an einen ähnlichen Fall in Dresden. Das Elbtal
galt wegen des einzigartigen Ensembles aus Barock- und Landschaftsarchitektur in dieser Flusslandschaft als besonders
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