Verschwörung beim Heurigen
schüttelte Johanna den Kopf, sie wunderte sich, dass sie nicht einmal nach einer Ausrede oder Begründung dafür suchte.
»Ich habe geschäftlich viel mit Männern zu tun, die sich damit brüsten und damit angeben, welche Weine aus |309| dem Napa Valley sie probiert haben oder wie ein ... wie war das Wort? – ein australischer Multi District Blend schmeckt. Was ist das, ein Multi District Blend? Ich weiß gar
nicht, wieso ich mir das gemerkt habe.« Jemand anderem als diesem Mädchen hätte sie die Frage nie gestellt.
»Das ist auch ein Verschnitt, eine Assemblage oder Cuvée«, flüsterte Anneliese, »der gleichen Rebsorte, jedoch von Trauben
aus verschiedenen Gegenden. Die Trauben sind immer anders, je nach Lage des Weinbergs zur Sonne, der Höhe und des Klimas,
natürlich auch der Bodenbeschaffenheit. Ach – und die Klone der Weinstöcke sind verschieden. Da lassen sich dann nach der
Gärung, wenn man den fertigen Wein hat, je nach Wunsch die verschiedenen Eigenschaften derselben Rebsorte kombinieren. Aber ... hier stören wir nur.« Anneliese trat beiseite und bedeutete Johanna, ihr nach nebenan zu folgen, wo sie sich mit Gläsern
bewaffnet auf Kisten niederließen.
»Woher wissen Sie das alles?«, fragte Johanna. »Ihr Großvater meinte, Sie gingen noch zur Schule.«
»Nicht mehr lange, aber das soll besser keiner wissen.« Das Mädchen legte den Finger auf die Lippen. »Mein Vater ist hier
weggezogen, ich bin aber immer in den Ferien hergekommen, und da war Maria, meine Tante. Wir waren vom Alter nicht so weit
auseinander und mehr wie Freundinnen. Ich habe sie begleitet, ich wollte das, ich musste nicht! Ich habe sie geliebt und bewundert,
wie sie das alles gemacht hat, meinen Großvater natürlich auch. Und jetzt, wo er nicht mehr kann ... «, sie beugte sich zu Johanna und flüsterte fast, »da würde ich die Kellerei übernehmen. Aber kein Wort zu niemandem,
versprochen?«
Notgedrungen nickte Johanna, sie wollte das Mädchen nicht verprellen und letztlich auch nicht enttäuschen. Aber es könnte
sein, dass ihr diese Informationen nützlich waren. Und kaum hatte sie das gedacht, verachtete sie sich. Sie war hier nicht
bei Environment Consult, hier herrschten andere |310| Regeln. »Und was machen Sie weiter mit der Schule? Sie stehen kurz vor dem Abitur?«
Anneliese winkte ab. »Die Matura kann mich mal ... sie brauchen mich hier, oder sie müssen Richard nehmen. Aber der will nur Geld, der Wein interessiert ihn nicht. Der Weinstock
ist ihm egal, der Berg, das Wetter, der Himmel, die Menschen, die uns helfen, das ist ihm schnurz. Maria hat mit mir zwischen
den Weinstöcken mit einer Lupe auf der Erde gelegen und mir die winzigen Käfer gezeigt und später die verschiedenen Weinstöcke,
die waren damals viel größer als ich. Richard will nur wichtig sein, wie der Thurn. Das ist sein großes Vorbild, der Angeber,
und sein Freund. Gestern war er hier und will, dass wir Land verkaufen, für diese Autobahn, oben im Wald, damit es noch mehr
stinkt. Extra deswegen hat Maria unser Land nicht verkauft, verstehen Sie? Ein Sperrgrundstück ist zum Sperren da, hat sie
immer gesagt und gelacht.« Unbändiger Stolz schwang in der Stimme der jungen Frau mit – und der Elan der Jugend, wie Johanna
fröstelnd bemerkte.
Dann jagte Carl also Informationen über einen geplanten Autobahnbau nach! Langsam dämmerte es Johanna, und sie erinnerte sich
an die Warnung des Anwalts: » ... bringen Sie Ihren Mann davon ab, es schadet ihm, es schadet uns und Ihnen ... « Das hatte nach einer Drohung geklungen, und Drohungen mochte sie gar nicht, die hatten schon immer ihren Widerspruch
herausgefordert. Sie hätte niemals herkommen dürfen, sie verlor sich selbst aus den Augen, sagte sie sich. Diese Anneliese
besaß eine Art, der sie nichts entgegensetzen konnte. So war sie selbst früher gewesen, als sie Carl getroffen hatte. Nein,
Schluss, Ende. Sie verstrickte sich in fremde Angelegenheiten, statt sich um ihr eigenes Projekt zu kümmern.
»Dabei kommt das Geld von allein, hat Maria immer gesagt, wenn du super Weine machst. Du musst nur dafür sorgen, dass die
Kunden es auchwissen. Was sind Sie von Beruf?«
|311| Es war das erste Mal, dass Johanna nicht wusste, wie sie es erklären sollte, und dass es ihr peinlich war. Panik kam auf,
sie zögerte, die Offenheit des Mädchens beschämte sie, seine Direktheit machte sie unsicher, und die Hymnen auf die
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