Verschwörung beim Heurigen
fühlte sich gefordert, den Bruch zu vermeiden und eine Basis zu schaffen, auf der man weitermachen konnte. Das |302| Surfcenter und die Perspektive mit Hansi waren zu wichtig, als dass sie sie durch ein Missverständnis gefährden durfte. Allerdings
war es mit »vertrauensvoller Zusammenarbeit« vorerst vorbei. Der Anwalt wusste tatsächlich von ihrem früheren Leben – oder
bluffte er? Jedenfalls zierte er sich, seine Quellen preiszugeben.
Hatten sich nicht erste Zweifel bereits neulich in seiner Kanzlei eingestellt, und jetzt spielte er den Sachwalter von Hansis
Interessen und hätte sie am liebsten rumgekriegt. Hansi war verunsichert, und der Abstand, den Johanna an den letzten beiden
Tagen gespürt hatte, wuchs. Eine verfahrene Situation. Nein, sie war es nur dann, wenn man sie so nannte. Johanna trat die
Flucht nach vorn an.
»Ich bin in meiner Jugend sehr engagiert für Umweltbelange eingetreten. Wir waren Zigtausende damals, und als junger Mensch,
das geht den meisten so, will man die Welt retten und so weiter. Mit dem Alter sieht man klarer, erkennt Zusammenhänge und
begreift, dass man sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte, nicht wahr?« Sie suchte Zustimmung in Wollknechts
Augen, doch die blieben ausdruckslos, keine Regung war im Gesicht des Anwalts zu erkennen, sie konnte sich ihn gut als jemanden
vorstellen, der während einer Konferenz daran dachte, mit welchen Nutten man sich abends vergnügen würde. Und je länger sie
debattierten, desto mehr verstärkte sich der Eindruck.
Hansi sah zu Wollknecht auf wie zu einem großen Bruder, von ihm hatte sie keine Rückendeckung zu erwarten. Er schlug in dieselbe
Kerbe: »Unsportlich soll er sein, hast du gesagt? Dabei klappert er mit seinem Scheißfahrrad in Wien die Behörden ab, macht
alle rebellisch und tritt auf wie der Piefke persönlich, als hätte ein Ausländer was zu melden.«
In einem verzweifelten Versuch, den Sachverhalt zu verstehen, hob Johanna beide Hände. »Könnt ihr mal bitte sagen, worum es
wirklich geht?!«
»Ich dachte, das wüssten Sie«, sagte der Anwalt hinterhältig |303| . »Es geht um den Bau der Leitha-Autobahn ... also bringen Sie Ihren Mann davon ab, seine Nase in Angelegenheiten zu stecken, die ihn nichts angehen und nicht nur für
ihn eine Nummer zu groß sind. Es könnte ernste Folgen für ihn haben. Und ob ich unter diesen Umständen noch mit Ihnen arbeiten
werde ... Bringen Sie ihn davon ab, und dann sehen wir weiter ... «
Mit dieser Drohung endete die Unterredung. Sie sollte also nach Purbach fahren und Carl zur Rede stellen. Sie würde es tun,
würde notfalls mit Engelszungen auf ihn einreden oder toben, doch es würde nichts nutzen. Er war unendlich stur, sie würde
nicht zu ihm durchdringen, besonders nicht nach der vorherigen Debatte, sie kannte ihn. Kannte sie ihn wirklich noch? Er würde
keinen Zentimeter von seinem Weg abweichen, wenn die Sache mit der Autobahn mit dem Mord an Maria Sandhofer in Verbindung
stand. Er würde seine Haut retten müssen, auch wenn er damit ihre Karriere zerstörte. Er zerstörte sowieso alles: ihre Ehe,
den Urlaub, das neue Projekt und jetzt auch noch die Beziehung mit Hansi.
Insgeheim jedoch kam sie nicht umhin, ihn zu bewundern, und sie war sogar ein wenig stolz auf ihn. Carl tat genau das, was
sie ihm jahrelang vorgeführt hatte. Wenn der Anwalt sich derart ereiferte, wenn von Wien aus bis hierher die Sturmglocken
läuteten, wenn Wirtschaftsbeziehungen darunter litten, dann musste Carl in ein Wespennest gestochen haben. Vorsicht vor den
Wespen, Carl, es sind Hornissen, dachte sie. Aber sie musste ihn davon abbringen. Nur wie ging man eine Sache an, von deren
Sinnlosigkeit man überzeugt war?
»Glaube daran, dass du die Welt ändern kannst.« Das war eine ihrer Regeln. »Radikale Ideen sind keine schlechten Ideen«, war
eine andere. »Gemeinsam kann man alles schaffen«, die dritte.
»Grüß Gott, gnädige Frau!«
|304| Johanna fuhr herum, als hätte sie ein elektrischer Schlag getroffen, so war sie in ihre Gedanken versunken.
Der Inspektor, es war dieses Würstchen und nicht der Chef, wich erschrocken einen Schritt zurück. »Ich wollte Ihnen nicht
zu nahe ... es tut mir schrecklich leid. Wirklich.« Er machte eine Bewegung auf sie zu, als wolle er sie stützen. »Begleiten Sie mich
zu der Bank dort, setzen wir uns einen Moment? Sie sehen blass aus.« Es waren nur wenige Schritte, und sie
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