Verschwörung beim Heurigen
einzugehen. So war
es auch mit den Boardshorts, die auf der Leine hingen, neben der Badehose. Nach dem kurzen Blick darauf hatte sie ihn wieder
irritiert angesehen. Sie hatte sogar von seinem Essen gekostet, und sie hatten den einen oder anderen mehr oder minder belanglosen
Satz miteinander gewechselt. Ein Fortschritt, doch ein Schritt voneinander fort, im Grunde unerträglich. Sie sollten sich
darüber klarwerden, wie die Trennung am besten zu vollziehen wäre, und das möglichst rasch.
Aber so einfach war das nicht. Noch bestanden Verbindungen, es gab eine gemeinsame Geschichte, durchstandene Schwierigkeiten
und die Erinnerung an glückliche Zeiten, in denen sie die Hände nicht voneinander hatten lassen können. Da war die Familie,
ihre Familie, mit der er gut zurechtgekommen war und die unter Johannas Veränderung genauso litt. Nein, er selber litt nicht
mehr darunter, sagte er sich und wusste, dass er sich belog. Ob er sie begehrte oder ob der Gedanke daran so weit weg war,
dass er nicht zählte, darüber war er sich nicht im Klaren.
Johanna sah gut aus, besonders mit ihrer leichten Bräune. Dabei spürte er ihre wachsende Spannung, fühlte ihre Traurigkeit.
Unter anderen Umständen hätte er sie darauf angesprochen, momentan jedoch konnte jedes Wort, selbst ein gut gemeintes, zu
einer neuen Entladung führen. Mit einer gewissen Häme fragte er sich, ob mit ihrem Surflehrer nicht alles zum Besten stand.
|317| »An Sie kommt man ja schwerer ran als an den Bundeskanzler!«
Carl fuhr auf. »Meinen Sie den deutschen oder den österreichischen?«
In der Tür zum Hof standen zwei Herren – Geschäftsleute, Männer von Welt –, die sich anschickten, das Apartment zu betreten, aber Carl vertrat ihnen den Weg. »Wer mich finden will, der findet mich
auch.«
»Ohne Telefon ist das schwierig, deshalb sind wir persönlich gekommen«, sagte der Mann mit dem glänzenden, ondulierten Haar,
blickte Carl über die Schulter und sah das Handy auf dem Tisch. »Sie haben ja doch Telefon. Man sagte mir, Sie wären nur über
Frau Reinschütz in Frauenkirchen zu erreichen. Wir hatten bereits das Vergnügen – telefonisch, meine ich, Wollknecht ist mein
Name, Anwalt der Bürgerinitiative Pro Burgenland.«
Sie kamen, nein, sie waren bereits da, die Wölfe. Carl begriff, sie hatten die Fährte aufgenommen.
»Magister Reuschler«, der Anwalt wies auf seinen Begleiter, »vom hiesigen Wirtschaftsverband.«
Man schüttelte sich die Hände, Carl bat die Herren, draußen Platz zu nehmen (da konnte seine Stasi mithören), bot Kaffee an,
der dankend abgelehnt wurde. Man wolle keine Mühe machen, außerdem sei ihre Besprechung nur kurz, denn man wolle Carl, der
ja sein Interesse am Burgenland deutlich gemacht hatte, gern zu einem Treffen beim Heurigen einladen, an dem weitere Honoratioren
teilnehmen würden. (Er kannte diese Honoratioren, genau ihretwegen hatte er das Dolmetschen drangegeben.) Es sei interessant,
fuhr der Anwalt fort, einen renommierten Übersetzer internationaler Literatur bei sich zu haben.
»Ich bin ein besonderer Freund der Übersetzer und ihres bedeutenden Beitrags zur Literatur«, meinte Magister Reuschler und
rieb sich die Hände wie ein eifriger Ladenbesitzer, der eine gute Kundin bedient.
|318| »Und was, meine Herren, wird das Thema des Treffens, dieser Zusammenkunft, sein?«
»Was Sie möglicherweise dazu beisteuern könnten«, sagte Magister Reuschler, »ein Mann mit Ihren Fähigkeiten. Ich habe mir
die von Ihnen übersetzten Bücher beschafft, und da dachte ich, äh, wir ... wir dachten da an eine Art Literatur- und Übersetzerforum im nächsten Sommer, auf europäischer Ebene, England, Portugal
und der deutschsprachige Raum, Ihr Fachgebiet, Herr Breitenbach!«
Der Speck riecht gut, dachte die Maus mit Blick auf die Falle, die Hintergedanken standen förmlich im Raum. So ein Treffen
bot Carl die Chance, mehr über die Leute zu erfahren, die er hinter dem Mord vermutete. Es wäre dumm, nicht darauf einzugehen.
Er musste seine Gegner kennenlernen, musste erfahren, was sie von ihm wollten und was sie von ihm wussten. Ihre wahren Ziele
würde er aus dem Wortgeklingel heraushören. Ein Netzwerk zeigte sich bereits im Ansatz: Autobahnbauer, Politiker, Anwalt,
lokaler Wirtschaftsverband – fehlten noch die Winzer und die Wassersportler. Carl dachte an Hansi und Thomas Thurn. Er bemerkte,
dass er unaufmerksam war.
Das Treffen war für den
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