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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Straße her betreten und ihn über eine
     andere wieder verlassen. Da auch die Nachbargebäude ähnlich angelegt waren, galt die Seite mit den Wohnhäusern als die »gute«,
     während die Anlieferung der Trauben über die Stallgasse geschah, wo früher das Vieh hereingetrieben und Getreide gebracht
     worden war. Bis in die achtziger Jahre hatte fast jeder Bauer in Breitenbrunn Weinbau betrieben, wie Maria erzählte, wenn
     nicht zum Verkauf, dann zumindest für den Eigenbedarf. Wer die Zeichen der Zeit und ihre Anforderungen nach Qualität nicht
     verstanden hatte und daraus kein sich tragendes Geschäft machen konnte, hatte es längst aufgegeben und sein Land an andere
     Winzer oder Häuslebauer aus Wien verkauft.
    »Wir sind schon lange keine Weinbauern mehr«, meinte Maria, als sie von der Tour durch die Weinberge zurückkamen und in den
     Verkostungsraum gingen. Sie holte drei Flaschen aus dem Klimaschrank und stellte sie auf die glänzende Holzplatte des großen
     Tisches. »Wir sind Betriebswirte, Agronomen, Chemiker, Wetterkundler, Marketingexperten – und auch Unterhaltungskünstler,
     denn ein bisschen Show gehört dazu. Von Arbeit wird sowieso niemand reich, das ist in unserer Branche nicht anders als bei
     dir. Aber es ernährt uns, wir erhalten Haus und Hof, ich komme viel |50| rum, da ich die Verkostungen mache, und wenn was über ist, modernisieren wir die Kellereinrichtung oder kaufen ein paar Rebzeilen
     hinzu. Vierzehn Hektar haben wir selbst, sieben haben wir sozusagen geliehen, vier von einer Tante – und drei von meinem Cousin
     Richard«, fügte sie nach einer kurzen, nachdenklichen Pause hinzu. »Ein etwas schwieriger Mensch, er taucht oft ungebeten
     auf, aber er hilft manchmal. Einundzwanzig Hektar machen eine Menge Arbeit, es kommt darauf an, was du daraus machst. Ein
     Betrieb muss eine gewisse Größe haben, um rentabel zu sein.«
    »Lernt man das auf der Weinbauschule?«
    »Ja, aber nicht umfassend. Ich habe Betriebswirtschaft studiert und Psychologie, das hat mich interessiert, die psychologischen
     Prozesse in der Wirtschaft. Manager meinen immer, sie handelten rational, dabei ist alles von Trieben bestimmt. Wofür nutzen
     die Männer die Firmen? Als Spielwiese, sie setzen den Sandkasten von früher fort, nur richten sie damit fürchterlich viel
     Schaden an.«
    Maria hatte nie Winzerin werden wollen, sie hatte die Eltern schuften sehen, »schau dir meinen Vater an«, den Herzschrittmacher
     und den Bypass mit fünfundfünfzig wollte sie sich ersparen. Dabei war sie sich nicht sicher, ob ihm das Unglück ihrer Familie
     nicht mehr zugesetzt hatte.
    Maria deutete Carls Blick offenbar falsch. Er sah sie an, weil sie ihm gefiel, weil sie ihn zum Lächeln brachte, er ihre Bewegungen
     mochte, den leichten Gang, die Art, wie sie die Gläser vorsichtig auf den Tisch stellte – nicht eines hätte dabei jemals einen
     Sprung bekommen. Er hatte sie nicht angesehen, weil er mehr über das Unglück der Familie wissen wollte. Er wusste sowieso
     nicht, was er wollte. Die Nähe dieser Frau reichte ihm. Worauf ließ er sich da ein?
    Etwas fahrig schaute Maria sich um, zog einen Stuhl heran und setzte sich. Sie baute die Weißweine auf, entkorkte sie und
     schob sie einen Zentimeter nach rechts, dann wieder nach links.
    |51| »Meine Eltern hatten nie Zeit. Der Wein hatte Vorrang, der Weinberg, der Keller, es war immer was zu tun   ... Auch meine Brüder haben mitgearbeitet. Es war nicht wie heute.« Sie strich sich das Haar aus der Stirn, lehnte sich über
     den Tisch und blinzelte Carl an, skeptisch, vorsichtig oder unsicher, so als ob sie sich fragte, wie weit sie ihm vertrauen
     konnte. Als sie ihm so nah war, bemerkte er zum ersten Mal den traurigen Zug um ihre Augen.
    »Meine Mutter starb an Nierenversagen, nachdem sie viele Jahre lang die Dialyse erduldet hatte. Und dann das Unglück mit meinem
     ältesten Bruder. Ich bin das Nesthäkchen, sozusagen die letzte Hoffnung, nachdem mein anderer Bruder das Handtuch geworfen
     hat. Er ist leitender Angestellter, hat ein festes Einkommen, macht mit seiner Frau und den Kindern Ferien auf Lanzarote,
     na ja, wie so viele eben. Er hat immer gesagt, er rieche nichts, das geht natürlich nicht als Weinbauer. Die Ärzte haben nichts
     gefunden, aber ich glaube«, sie schmunzelte, »das war die Ausrede seines Lebens.«
    Plötzlich hob sie den Kopf, lauschte, auch Carl meinte, Schritte gehört zu haben. Sie stand auf und schaute in den Hof. Einige
    

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